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Cartoon: Schilling & Blum

Machste was, biste was

27. April 2017

Aber wo bleibt das Glück? – THEMA 05/17 ARBEITSGLÜCK

Wer kennt diesen Traum nicht: im Lotto gewinnen, dem Chef oder der Chefin die Plörren vor die Füße schmeißen und für den Rest des Lebens die Beine hochlegen – Arbeit ade, ich bin so frei! Aber: 77 Prozent der Deutschen würden auch weiterarbeiten, wenn sie es finanziell nicht nötig hätten, besagt eine Studie des Beratungsunternehmens Gallup. Warum hängen wir so am Job?

Arbeit ist aus unserer Gesellschaft nicht wegzudenken. Dabei geht es nicht nur ums Geld. Erwerbsarbeit hat eine integrierende Wirkung: Machste was, biste was. Man lebt für die Anerkennung im Team, liebt das Gefühl, etwas gut zu können, schätzt den Umgang mit Kundinnen und Klienten, gestaltet seinen Alltag passend zum Beruf. Arbeit fungiert als Bindeglied zwischen den Menschen – bleibt aber ungerecht verteilt, genauso wie Geld, gesellschaftliche Anerkennung und Jobzufriedenheit.

Welche Bedeutung die Arbeit hat, merkt man erst so richtig, wenn die eigene Stelle in Gefahr ist. Depressionen, Angststörungen, psychosomatische Leiden und Selbstwertprobleme wurden als psychische Folgen von Erwerbslosigkeit nachgewiesen. Und nicht erst, wenn der Job schon weg ist: Beschäftigte, deren Arbeitplatz in Gefahr scheint, leiden deutlich häufiger und länger an körperlichen und emotionalen Beschwerden als die Vergleichsgruppe mit ungefährdeten Stellen. Die Angst vor dem Ausschluss aus dem sozialen Miteinander treibt uns um. Kein Wunder, dass auch der innere Druck ständig steigt.

Liebe ist das nicht: 70 Prozent der deutschen Beschäftigten haben wenig emotionale Bindung zu ihrem Arbeitgeber und machen Dienst nach Vorschrift. Sie wollen unbedingt arbeiten, gehen aber zugleich in die innere Emigration. Entscheidend dafür ist laut Gallup-Studie nicht nur Sicherheit, Lohnhöhe oder flexible Arbeitszeit, sondern die Kommunikation mit den Vorgesetzten – und an der mangelt es.

Stichwort flache Hierarchien: Die IT-Branche feiert teambasierte Methoden wie „scrum“ und „kanban“ als neue Erfolgsmodelle für das Management von Arbeitsprozessen und beeindruckt damit sogar die Personalführung des Großkonzerns Bosch, wo „agiles Arbeiten“ als der Weg in die Zukunft gilt. Eine Ausnahme, ebenso wie die in Siegen ansässige Autohauskette Hoppmann, wo seit 30 Jahren die Beschäftigten gleichberechtigt die Geschäftspolitik mitbestimmen. Die gemeine Chefmentalität hinkt da meilenweit hinterher. Laut der Gallup-Studie halten sich 97 Prozent der deutschen Unternehmenschefs für eine gute Führungskraft. 56 Prozent der befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter äußerten sich negativ über ihre Vorgesetzten.

Gutes Betriebsklima und faire Bezahlung sind essentiell. Wichtig ist aber auch, der Arbeit nicht mehr Bedeutung zu verleihen als ihr zukommt. Dass sie überhaupt mehr sein soll als reiner Broterwerb, ist eine Kopfgeburt, wie die Historikerin Sabine Donauer am Beispiel der Industriellen Revolution zeigt. Um 1900 führten die Bewachung und körperliche Bestrafung von Fabrikarbeitern sowie der Versuch einer Disziplinierung durch immer niedrigere Löhne nicht zu den gewünschten Leistungssteigerungen, sondern zu massenweise Streiks. In der Folge wurde die innere Motivation der Beschäftigten als Ressource entdeckt und strategisch gefördert. Kantine, verbilligter Einkauf und firmeneigener Sportclub: Gemeinschaftsgefühl wurde erzeugt, um Produktivität zu erhöhen. Der Betrieb als große Familie und zweites Zuhause.

Heute sind diese Werte verinnerlicht – bist du unzufrieden am Arbeitsplatz, such zuerst bei dir die Schuld, suggerieren Hunderte von Ratgeber-Handbüchern. Ja, Arbeit stiftet Identität und kann Glücksgefühle bescheren. Aber wenn das soziale Leben nur noch innerhalb des Jobs stattfindet, der Beruf Lebenszweck wird, Verwertbarkeit der alleinige Maßstab, treffen die Unbillen der Arbeit ungefiltert das Selbstwertgefühl. Wer sich nur über den Beruf definiert, für den ist jede Kritik existentiell. Eine Verbesserung kann nur stattfinden, wenn Beschäftigte sich über ihre eigenen Interessen klar werden. Gute Arbeitsbedingungen zu definieren und sich dafür einzusetzen, macht allemal glücklicher als blind nur der Idee einer Selbstoptimierung bei der Arbeit hinterher zu rennen wie der Esel der Möhre.


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