„Wir werden geboren, belastet mit Verbindlichkeiten jeder Art gegen unsere Vorgänger, unserer Nachfolger und unsere Zeitgenossen. Später entwickeln und vergrößern sie sich nur, bevor wir imstande sind, irgendeine Dienstleistung zurückzuerstatten“ – schrieb der Philosoph Auguste Comte Mitte des 19. Jahrhunderts. Natürlich meinte er soziale Schulden gegenüber der Gesellschaft, aber inzwischen könnte man auch finanzielle Schulden dafür einsetzen. Wer heute zum Beispiel in Bonn zur Welt kommt, hat gleich mal 5330 Euro Miese auf dem Konto, noch bevor die Stadt irgendetwas für ihn getan hat. Und diese Minus gilt es dann lebenslang auszugleichen.
Die ehemalige Bundeshauptstadt steht mit 1,66 Milliarden in der Kreide, und Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch und Finanzdezernent Ludger Sander haben jetzt ein Sparprogramm vorgestellt, das gut ist für einen Superlativ. Obwohl es wohl die drastischste Streichliste ist, die je in Bonn aufgelegt wurde, werden damit keinerlei Schulden zurückgezahlt: Die Neuverschuldung steigt nur langsamer an.
Noch ist nichts beschlossen, aber für die Kultur sieht es naturgemäß düster aus. Dass die Kammerspiele in Bad Godesberg geschlossen werden sollen, ist schon seit dem 2012 vorgestellten „Kulturkonzept“ der Stadt ein Thema. Das Bonner Theater soll sich auf die Spielstätten Oper (mit der Option zum Ausbau) und Bonn-Beuel konzentrieren. Die Sparvorgabe für das Haus lautet: acht Millionen weniger bis 2023. Und die IntendantInnen des Hauses sollen auf Kooperationen verpflichtet werden – dahinter verbirgt sich Nimptschs Lieblingsthema, die Bonner Oper mit Köln zu fusionieren. Außerdem wird die bereits beschlossene Reduzierung des Bonner Beethoven Orchester von 106 auf 100 Stellen jetzt umgesetzt. Eine Entscheidung, die die Beethoven-Stadt ihren derzeitigen Generalmusikdirektor kosten wird: Stefan Blunier hat angekündigt, wegen der Kürzungen seinen Posten 2016 aufzugeben. Darüber hinaus sollen das Frauenmuseum und das Euro-Theater-Central auf null gesetzt werden, was nichts anderes bedeutet als Schließung.
Zu den fatalen Signalen der Sparliste gehört aber, dass besonders der Stadtteil Bad Godesberg bluten muss: Neben den Kammerspielen erwischt es dort das Deutsche Museum und das Kleine Theater. Darüber hinaus müssen zwei Freibäder und das Bürgeramt schließen – ausgerechnet in dem ehemals bürgerlichen Stadtteil, in den immer mehr migrantenstämmige Familien ziehen. Noch 2013 hat der Bonner Rat beschlossen (!), alle Freibäder zu erhalten. Zwischen damals und heute aber lagen die Kommunalwahlen. Nicht diskutiert wird über das für 2018 geplante Festspielhaus, dessen Neubau und Betrieb noch immer nicht voll durchfinanziert ist – auch wenn die Telekom sich daran beteiligen will. Trotzdem wurde im Juni ein zweiter Architektenwettbewerb ausgelobt. Zynisch gesprochen: Nach dem Debakel mit dem Kongresszentrum WCCB, als man einem windigen Investor aufsaß, hat sie Stadt ja Erfahrung mit solchen Schieflagen. Wird schon schiefgehen!
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