Veganismus ist längst nicht mehr „nur“ ein Trend. Der Vegetarierbund Deutschland geht in einer Schätzung vom Januar 2015 von 900.000 Veganern in Deutschland aus, und es werden täglich mehr. Warum aber entscheidet sich jemand dazu Veganer zu werden?
Nutztiere in Deutschland leben meist nur kurz und werden unter schlechten Bedingungen gehalten. Ein Rind wird als Fleischlieferant nur acht bis zehn, ein Schwein circa fünf Monate alt. Ein Masthuhn bringt es gerade noch auf eine Lebenserwartung von fünf bis sechs Wochen. Milchkühe werden künstlich befruchtet, damit sie viel Milch geben, bei Nachlassen der Milchleistung wird geschlachtet. Bei Züchtungen von Legehennen werden die männlichen Küken nach dem Schlüpfen entweder geschreddert oder vergast. Tiertransporte werden unter schrecklichen Bedingungen durchgeführt. Pelztiere werden nur aufgrund Ihres Fells in großen Mengen gezüchtet und dann getötet. Die deutsche Tierschutzorganisation PETA weist auf das Elend von Schafen hin, die nur für Ihre Wolle gezüchtet werden.
Um diese Tatsachen und Umstände wissen auch Nichtveganer. Doch hat der Normalkonsument eine moralische Gedankenschranke aufgebaut, nach der Nutztiere nicht mehr als Lebewesen mit Emotionen und Gefühlen wahrgenommen werden. Diese moralische Grenze reißen Veganer ein: Sie verzichten auf alle Lebensmittel, die vom Tier stammen, wie Fleisch, Fisch, Milch und Eier. Lebensmittel, die andere tierische Produkte enthalten, wie Fette oder E-Stoffe, werden gemieden. Kleidungsstücke wie Lederschuhe und Wolle werden gegen Kunstleder und -fasern oder Baumwolle getauscht. Auch auf Produkte wie Honig, für die Bienen extra gezüchtet werden müssen, verzichten Veganer, Kosmetika werden vegan gekauft, tierversuchsfrei und mit rein pflanzlichen Wirkstoffen.
Doch kann Veganismus noch sehr viel weiter gehen: Gemüse wird oft nur aus einem Anbau ohne Verwendung von tierischem Dünger konsumiert. Es gibt veganen Wein, der nicht durch tierische Erzeugnisse geklärt wurde. Vegane Tapeten und Kleister existieren ebenfalls. Medikamente werden so gut es geht gemieden, da diese in Tierversuchen getestet werden. Veganismus ist also eine hoch ethische und moralische Angelegenheit. Das Verantwortungsbewusstsein gegenüber allen Lebewesen steht im Vordergrund, die eigene Lebensweise wird dem angepasst und ist nicht egozentrisch. Warum also wird Veganismus noch oft belächelt und ist mit so wahnsinnig vielen Vorurteilen und Gegenargumenten behaftet?
Das häufigste Argument gegen den Veganismus ist, dass Menschen schon immer tierische Produkte konsumiert haben. In der heutigen Zeit ist das nicht mehr notwendig. Das Angebot an alternativen Produkten ist riesig, ein Muss also nicht mehr vorhanden.
Ebenso wird den Veganern vorgeworfen, sie würden aufgrund ihres Sojakonsums zur Abholzung der Regenwälder beitragen. Fakt ist aber, dass Veganer oft, geprägt durch ihren Umweltsinn, darauf achten, woher ihre Produkte letztlich kommen. Das meiste Soja, welches für die Abholzung der Regenwälder verantwortlich ist, wird in Futtermitteln für die Fleisch- und Milchindustrie benötigt. Zudem halten sich viele Veganer an saisonales und regionales Obst und Gemüse. Bei Kleidung wird meist auch auf soziale Fairness geachtet, das gehört ebenso zum Konzept des Veganismus.
Auch darüber, ob Veganismus die gesündere Lebensweise ist, wird gestritten. Bisher gibt es nur wenige Studien, die die Auswirkungen veganen Lebens auf die Gesundheit zum Thema haben. Bisher wurde erwiesen, dass Menschen mit rein pflanzlichem Speiseplan weniger an Typ-2-Diabetes und Übergewicht leiden. Die bewusste Lebensweise der Veganer vermeidet auch andere ernährungsbedingte Krankheiten. Die meisten Veganer sind über eine Nährstoffergänzung gut aufgeklärt.
Warum gibt es also in Zeiten von hoher Aufklärung der Bevölkerung über Massentierhaltung, Tiertransporte und Lebensmittelskandale noch nicht mehr Veganer? Nach Gammelfleisch und Dioxin-Eiern gaben in einer Studie 2011 von Dentsu Aegis 33% der Befragten an, verunsichert zu sein und nicht zu wissen, was sie noch essen könnten. 69% zogen Konsequenzen und mieden bestimmte Nahrungsmittel und Marken, doch das Gros der Deutschen weicht nicht von seinen Konsumgewohnheiten ab. Muss aber nicht in einer Welt, die immer verschmutzter und ressourcenärmer wird, in der der ökologische Fußabdruck des Einzelnen weitaus größer ist als er sein sollte, ein Umdenken in diesem Bereich stattfinden? Letztlich bleibt, das eigene Gewissen zu prüfen, die eigenen Lebensgewohnheiten zu überdenken und den Weg zu gehen, der einem richtig, moralisch und umweltbewusst erscheint.
www.peta.de
vebu.de/
www.animalequality.de/
www.vegane-gesellschaft.de
Lesen Sie weitere Artikel zum Thema auch unter: choices.de/thema und engels-kultur.de/thema
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Seed Bombs, Yoga-Sessel und Knoblauch-Eis
Veggienale & fairgoods 2017 am 6./7.5. auf Zeche Zollverein – Spezial 05/17
„Das Schwein ist uns egal“
Die Tierethikerin Hilal Sezgin über Veganismus und Tierrechte – Thema 07/15 Veganes Leben
Die griechische Schuld
Wie ich wegen Otto Rehhagel wieder anfing, Fleisch zu essen – Thema 07/15 Veganes Leben
Werben fürs Sterben
Teil 1: Leitartikel – Zum Deal zwischen Borussia Dortmund und Rheinmetall
Es sind bloß Spiele
Teil 2: Leitartikel – Videospiele können überwältigen. Wir sind ihnen aber nicht ausgeliefert.
Das Spiel mit der Metapher
Teil 3: Leitartikel – Was uns Brettspiele übers Leben verraten
Europäische Verheißung
Teil 1: Leitartikel – Auf der Suche nach Europa in Georgien
Demokratischer Bettvorleger
Teil 2: Leitartikel – Warum das EU-Parlament kaum etwas zu sagen hat
Paradigmenwechsel oder Papiertiger?
Teil 3: Leitartikel – Das EU-Lieferkettengesetz macht vieles gut. Zweifel bleiben.
Vom Mythos zur Mülldeponie
Teil 1: Leitartikel – Wie der Mensch das Meer unterwarf
Friede den Ozeanen
Teil 2: Leitartikel – Meeresschutz vor dem Durchbruch?
Stimmen des Untergangs
Teil 3: Leitartikel – Allen internationalen Vereinbarungen zum Trotz: Unsere Lebensweise vernichtet Lebensgrundlagen
Der andere Grusel
Teil 1: Leitartikel – Von der rätselhaften Faszination an True Crime
Zu Staatsfeinden erklärt
Teil 2: Leitartikel – Der Streit über Jugendgewalt ist rassistisch aufgeladen
Maßgeschneiderte Hilfe
Teil 3: Leitartikel – Gegen häusliche Gewalt braucht es mehr als politische Programme
Wildern oder auswildern
Teil 1: Leitartikel – Der Mensch und das Wildtier
Die Masse macht’s nicht mehr
Teil 2: Leitartikel – Tierhaltung zwischen Interessen und Idealen
Sehr alte Freunde
Teil 3: Leitartikel – Warum der Hund zum Menschen gehört
Von leisen Küssen zu lauten Fehltritten
Teil 1: Leitartikel – Offene Beziehungen: Freiheit oder Flucht vor der Monogamie?
Durch dick und dünn
Teil 2: Leitartikel – Warum zum guten Leben gute Freunde gehören
Pippis Leserinnen
Teil 3: Leitartikel – Zum Gerangel um moderne Lebensgemeinschaften
Verfassungsbruch im Steuer-Eldorado
Teil 1: Leitartikel – Die Reichsten tragen hierzulande besonders wenig zum Gemeinwohl bei
Sinnvolle Zeiten
Teil 2: Leitartikel – Wie Arbeit das Leben bereichern kann
Über irrelevante Systemrelevante
Teil 3: Leitartikel – Wie Politik und Gesellschaft der Gerechtigkeitsfrage ausweichen
Keine Panik!
Teil 1: Leitartikel – Angst als stotternder Motor der Vernunft