Wie ein Fels in der Brandung sitzt Yefim Bronfman am Flügel, egal, welche Klangmassen sich türmen oder welch zartes Piano aus den Saiten getupft wird. Er legt die Latte an im Reigen der „Meisterpianisten“, die in der aktuellen Saison im Dortmunder Konzerthaus gastieren. Und Bronfman hat sich Sonaten von Prokofjew herausgelegt.
Die Osterfestspiele in Salzburg bieten häufig Gelegenheit, verschiedene Künstler in kurzem Zeitraum im Vergleich zu hören. Als Lang Lang mit Prokofjews 3. Klavierkonzert und den Berliner Philharmonikern mit Simon Rattle im Festspielhaus gastierte, bestritt mit gleichem Orchester und Dirigenten Yefim Bronfman sein Konzert mit dem Dritten von Rachmaninow. Lang Lang, strahlend lächelnder Repräsentant von UNICEF und UN-Botschafter des Friedens, damals auf einem ersten Höhepunkt seiner jungen Karriere, ließ seine Spinnenbein-artigen Finger fliegen, warf den Kopf in den Nacken, ließ die Fäuste kreisen und berauschte gemeinsam mit dem britischen Lockenkopf Rattle das internationale Publikum. Der Chinese bot echte Show auf höchstem Niveau. Es folgte dann Bronfman, 1958 im sowjetischen Tashkent geboren, von der Körpersprache ein unbeweglicher Zeitgenosse, der sich auf die Klavierbank zwängte. Aber als die Musik losging, da explodierte der Flügel unter den Händen des relativ ruhig waltenden Mannes, ganz ohne grelle Leuchtfarben, sondern mit dichtem Legato, mit schlüssigen Wendungen und einer ungeheuren Kraft, die sich nicht in zur Show gestellter körperlicher Anstrengung äußerte. Bronfman machte einfach Musik oder wie er selbst einmal sagte:„Große Pianisten wie Gilels oder Horowitz, die mich stark berührten, waren so: Nur Musik kam ‘raus. Ihre persönliche, körperliche Gegenwart war völlig unwichtig.“
Ein solcher Interpretationsstil geht einher mit solider Bescheidenheit, Musik zählt. Klavierrezital oder Kammermusik noch mehr. Nächstes Jahr tourt er mit Anne-Sophie Mutter und Lynn Harrell, zwei Spitzenspieler an Geige und Cello. Sie spielen Triokonzerte diesmal in Europa, die USA haben sie bereits hinter sich. Bronfman emigrierte mit 15 Jahren von Usbekistan nach Israel, später wurde er US-Bürger – ein Weltbürger par excellence.
Weltreisende Virtuosen in Sachen Musik folgen auf diesen ersten Gast, abwechslungsreich gestaffelt. Die verzaubernden Geschwister Katia und Marielle Labèque aus Frankreich bieten in ihrer seit 30 Jahren aktiven Zweierbesetzung schon reiche Kontraste. Arcadi Volodos und Alexandre Tharaud vertreten die Generation der Mittvierziger, bevor Altmeister und Klavierfan-Guru Grigory Sokolov seinen Segen zu diesem Zyklus spendet – mit welcher Musik, das verrät der sanfte Petersburger erst kurz zuvor.
Klavierabend mit Yefim Bronfman | Mi 28.10. 20 Uhr | Konzerthaus Dortmund | www.konzerthaus-dortmund.com
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