Weit mehr als zehn Jahre touren die beiden ehemaligen Studenten der Yehudi Menuhin School im englischen Surrey um die Welt und präsentieren ihre spaßigen Programme rund um die Musik – und sie machen vor nichts Halt. Ihr Motto: „Wir mischen Musik, Spontaneität, Humor und theatralische Momente – und dabei haben uns Mozart und Rossini über die Schulter geschaut!“
Wenn in diesem Duo zwei sich streiten, was gespielt werden soll, wird es kreativ: Beide Seiten können sich hier durchsetzen – zur Gaudi des Publikums. Die Verschmelzung von Melodien widersprüchlicher Genres ist aber nur eine Spielart des wunderbar lockeren und virtuosen Geigers Aleksey Igudesman und des brillanten Pianisten Hyung-ki Joo, vielleicht die simpelste.
Witzig, originell und nicht so leicht kopierbar sind Nummern wie die Szene einer Führerschein-Nachprüfung für „Flügel“-Fahrzeuge, in der Igudesman in Uniform Joo beim Schnellspielen an den Tasten erwischt und zum Test durch virtuoseste Klavierliteratur hetzt, über Klassik und Romantik bis ins 20. Jahrhundert. Einen schönen Seitenhieb setzte es auf die Minimal-Komponisten, da der Prüfer zwar die Namen wechselte, die Musik allerdings immer genau gleich blieb – bei Michael Nyman rutschte sie einen Ton tiefer.
Sehr komisch geriet eine Konzertszene in der Kölner Philharmonie, in der Pianist Joo am Flügel konzertiert und Igudesmann aus dem Off die Gedanken des Pianisten beim Vortrag einspricht: Selbstverliebte Schmeicheleien über das eigene Spiel, hässliche Erinnerung an eine Zyste am Allerwertesten, bei aufblühenden Pianophrasen verliebtes Schmachten nach dem Mädel in der zweiten Reihe.
Die Musiker können auch anders. Der Geiger reist die Deckelstütze vom Flügel, sie entpuppt sich als E-Geige. Joo bricht ein Bein aus seinem Instrument, es wird zum „Keytar“, einem Keyboard zum Umhängen. Dann schreien sie wie Punker in Wacken, strecken die Zunge raus wie Jagger und rappen düstere Texte. Und plötzlich landen sie dann doch wieder mit Spinettklang und Geige beim alten Vater Bach.
Jetzt haben sie das Buch „Rette die Welt“ geschrieben und bringen es gleich in einer interaktiven Show auf die Bühne – Kreativtest mit dem Publikum. Igudesman und Joo sind Musikclowns, die ihr Handwerk beherrschen; und sie haben wirklich für jeden etwas Glück im Gepäck.
Igudesman & Joo – Die Rettung der Welt | Sa 28.12. 20 Uhr | Kölner Philharmonie | 0221 280 280
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