Spontane Umfrage unter Bekannten zum Thema Frauen und Computerspiele: Lara Croft sagt die eine. Der andere meint: das sind doch die, die auf twitch ihre Brüste in die Kamera halten. Über Entwicklerinnen und Gamedesignerinnen, Programmiererinnen oder weibliche Profi-E-Gamer spricht niemand. Zu Recht?
Immerhin wurde nun die weibliche Hälfte der Menschheit als Zielgruppe für Marketing und Medien entdeckt. Die BILD empfiehlt „Die besten Spiele für Frauen“, „Ohne starke Frauen geht nichts mehr“ weiß die BZ, über „Emanzipation im Pixel-Kosmos“ schwärmt eine Medienagentur. Von den über 34 Millionen Deutschen, die regelmäßig Computer- oder Videogames spielen, sind knapp die Hälfte Frauen, besagt eine vom Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware in Auftrag gegebene Studie.
Der Gamesmarkt ist zumindest auf der Seite der Spielenden kein reiner Herrenclub mehr. Das gefällt nicht jedem. Ein bisschen CandyCrush auf dem Handy daddeln macht noch keinen echten Gamer aus einer Frau, wird zurück gebellt. Dass aus beleidigt Kläffenden tatsächlich eine gefährliche Meute werden kann, haben die Videogame-Designerin Zoë Quinn und die feministische Medienkritikerin Anita Sarkeesian schon vor einigen Jahren erfahren. Beide haben sich in ihrem Aktivismus nicht bremsen lassen und setzen der Onlinehetze und Androhungen physischer Gewalt eigene Werte entgegen: Aufklärung, Netzwerke zu gegenseitigen Unterstützung und den Willen, sich nicht einschüchtern zu lassen. Doch dass bis heute Spielfiguren schematisch und oft auch sexistisch dargestellt werden, dass Gewalt an weiblichen Figuren oft auf sexualisierte Weise in Szene gesetzt wird – diese Kritik bleibt bestehen.
Und wie erschaffen Frauen Computerspiele? Nicht automatisch sind Brüste kleiner, Kleidungsstücke praktikabler, Charaktere ausgefeilter. Doch offensichtlich haben Frauen andere Vorlieben als Männer. Der Berliner Hersteller Wooga bemüht sich nicht nur um weibliche Mitarbeiter, sondern gilt als Vorzeige-Schmiede für „Casual Games“, also kostenlose, werbefinanzierte Spiele für weibliches Publikum. Hier setzt man auf Kriminalgeschichten mit einer starken Frau im Zentrum, auf Abenteuer an hübschen Schauplätzen, auf Wimmelbilder und Minigames. Seitdem es mehr Spiele gibt, die auf dem Smartphone, in sozialen Netzwerken und auch kurz mal zwischendurch gespielt werden können, ist der Frauenanteil gestiegen.
Generell wird davon ausgegangen, dass Frauen auf Rätsel, atmosphärische Erkundungsspiele und Gemeinschaftsgefühl fliegen, Männer hingegen gern zerstören und sich messen wollen. Doch so schwarz-weiß ist selbst die Spiele-Welt nicht: laut einer Studie der Universität Gent sei es vor allem die Humorlosigkeit der Ballerspiele, die Frauen nerve. In ihrer Lust auf Wettbewerb und Immersion, also auf das tiefe Eintauchen ins Spielgeschehen, seien die Damen so verschieden von den Herren nicht. Trotzdem bleibt eine Hardcore-Gamerin wie die Australierin XMinks mit 350.000 Followern auf dem Live-Video-Streaming Dienst Twitch eine Ausnahme mit ihrer Vorliebe für den Egoshooter „Call of Duty“. Auch in den E-Sport Ligen steigt die Zahl weiblicher Spieler nur langsam. Gaming als professionell betriebener Wettbewerbssport gilt als Wachstumsbranche, aber E-Sportlerinnen verdienen nur einen Bruchteil der Preis- und Sponsorengelder ihrer männlichen Pendants.
Wie es in puncto faire Bezahlung und wirklicher Akzeptanz auf der Produktionsseite, bei den nur rund 20 Prozent weiblicher Beschäftigter in den globalen Spieleunternehmen aussieht, bleibt meist unausgesprochen. Wahre Gestaltungsfreiheit blüht andernorts: Durch sogenanntes Modding können Gamer*innen ihre Lieblingsspiele nach eigenen Vorlieben selbst umgestalten. Da bekommt Frau Zombie ein Hochzeitskleid, die supersexy Heldin einen Kurzhaarschnitt und Mister Muskel eine Lesebrille. Auf Grundlage der von Spieleherstellern dafür zur Verfügung gestellten „Mod Kits“ kreieren Nutzer*innen Vorhandenes um und teilen dies online mit anderen Spielenden. Modding heißt: mehr Vielfalt in Computerspielen, realistischere Frauen- und Männerbilder, sowie die Freiheit, jenseits aller Schubladen zu experimentieren. Solche Ansätze können auf längere Sicht auch die spielenden Herren aus ihren vordefinierten Rollen entlassen, welche ohnehin gesellschaftlich überholt sind. Und das ist dann ein realer Vorteil.
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