Vom Bindestrichland hat man gerne gesprochen, und damit Nordrhein-Westfalen gemeint, das Bundesland in dem zwei Regionen in einen Verwaltungstopf gesperrt wurden, die historisch nicht viel miteinander zu tun hatten. In der Kultur hat die Neugierde der Menschen immer dazu geführt, dass man über den Zaun schaute. Die Tanzkunst lockt ihr Publikum in NRW schon seit Jahren in die Metropolen am Rhein. Aus Westfalen würde man sich noch ein wenig mehr Zuspruch wünschen. So startet das Festival tanz nrw 15 in diesem Frühjahr in acht Städten, siebenmal im Rheinland (Bonn, Köln, Düsseldorf, Wuppertal, Krefeld, Essen und Viersen) und einmal in Münster, im bewährten Pumpenhaus.
Das Programm eignet sich gut für den Einstieg ins Metier oder um sich über den Stand der gegenwärtigen Ästhetik zu informieren. 17 Ensembles zeigen 19 Produktionen vom 16. bis 28. April, alle Arbeiten entstanden in NRW, so dass das Festival als Blütenlese den Gruppen noch einmal Aufführungsmöglichkeiten in der Region bieten kann. Gestartet wird in drei Städten. So zeigt am Eröffnungswochenende Felix Bürkle aus Düsseldorf in der Kölner TanzFaktur seine aufsehenerregende Choreographie „you, the other“, in der er den Moment erforscht, in dem die Erotik zwischen zwei Menschen zündet. Im Carlsgarten vor dem Depot des Kölner Schauspiels präsentiert Angie Hiesl eine Performance, die das Spiel mit den Identitäten probt.
Die magischen Bildwelten der Märchen zaubern Reut Shemesh und das Duo Overhead Project mit „The Boy, Who Cries Wolf“ auf die Bühne des Tanzhauses. Eine subtile, bildgewaltige Produktion, die sich in die Erinnerung eingräbt. Für Düsseldorf bietet Köln das Beste mit dem MichaelDouglas Kollektiv und seiner Ensemble-Produktion „Golden Trash“, die 2013 den Kölner Tanzpreis gewann. Mit großer Verve zeigt die Truppe, wie sich Beziehungen zwischen Körpern herstellen und wieder auflösen. Eine Produktion, die anschaulich demonstriert, wie erzählerisch Tanz sein kann, ohne dass dabei eine Geschichte erzählt werden müsste.
Wie der Körper aus den zweidimensionalen Bildern der erotischen Verheißung zu einem realen Objekt im Raum wird, und wie er seinen Chic verliert und darüber seine Sinnlichkeit gewinnt, zeigt Ben J. Riepe in Essen auf PACT Zollverein, wo er den dritten Teil seines Großprojekts „Der letzte Schrei“ vorstellt. Der 4. Teil ist dann am 23. April in der Generatorenhalle in Viersen zu sehen.
Das Tanz-Land NRW braucht Nachwuchs, deshalb startet mit der Reihe „Sprungbrett“ in diesem Jahr ein Projekt für junge Choreografen, das eine Brücke zwischen dem Studium und dem Eintritt in die Tanzszene schlagen soll. Drei Wochen haben die Akteure in Residenzen am Rhein mit professionellen Coaches gearbeitet, um dann in verschiedenen Städten ihre Arbeiten vorzustellen. Darüber hinaus lädt das Festival wieder zu Workshops ein und bietet mit dem Besuch der Studios einiger ausgesuchter Choreografen den Blick in die Werkstätten der Tanzkunst.
tanz nrw 15 | 16.4.-28.4. | www.tanz-nrw-15.de
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