Bereits am Vorabend kann die Outdoor-Performance „(Not) under the bridge“ des Ensembles HARTMANNMUELLER auf dem Zechengelände angeschaut werden. Es regnet. Felix Ersing sucht mit einem Detektor das Gelände ab. Hartmann und Müller kommen in einem Kombi vorgefahren, aus dem laute Jazzmusik klingt. Simon Hartmann lädt beschriftete Schilder aus und rammt sie in den Boden, während Daniel Müller anfängt, mit dem Publikum zu flirten. Die Szenerie wird immer absurder. Müller beginnt, das Publikum im Kombi durch die Gegend zu fahren und Sekt an seine Gäste zu verteilen, während Hartmann unermüdlich am Schilderwald baut. Vor ihm ein kleiner Junge, der wissbegierig fragt: „Was steht da?“. Da steht beispielsweise „Schicht im Schacht“, „So sieht ein Weltkulturerbe aus“, „Hier entsteht ein Bordell“, „Der perfekte Ort“ oder „Wir dachten es kommt keiner“. Mitten in diesem Wald stehen vier orangene Stühle, dort wird Publikum platziert, mittlerweile mit bunten Sonnenbrillen und Sekt, aber immer noch im Regen, wie verirrte Urlauber*innen. Das ist unterhaltsam.
Es folgen die Eröffnungsreden des Festivals. Als erstes ergreift der Gastgeber des Abends, Stefan Hilterhaus, künstlerischer Leiter des Pact, das Wort. Die Sparte Tanz gewinne an Kraft und setze andere Kunstsparten und Wissensbereiche in Bewegung, so Hilterhaus. Tanz nrw erlebe er nicht bloß als Festival, sondern als einen Resonanzraum für neue Ansätze und Ideen. Danach spricht Dr. Stephanie Jenkner vom Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes NRW. Sie begreift tanz nrw als festen Bestandteil des Landes, bundesweit sei es einzigartig. Der Anspruch sei es, eine tiefere Wahrnehmung für den Tanz zu schaffen und mehr Publikum zu erreichen, als jede der teilnehmenden Institutionen es allein kann. Zuletzt spricht Andreas Bomheuer, der Kulturdezernent der Stadt Essen. Er lobt die Zusammenarbeit zwischen den Städten und Institutionen. Das mache das Festival zum Vorreiter für gemeinsames Wirken, sagt er. Um Grenzen neu zu definieren, brauche es diese Art von Experimentierfeld, in dem es um das Freisetzen neuer Energien gehe.
Dann beginnt auch schon das Stück des Abends: „(T)here and After“ von Alexandra Weierstall. Zunächst steht ein dumpfer Sound im Raum (Musik: HAUSCHKA), die Tänzer*innen sind zunächst bloß zu hören. Sieben Tänzer*innen, uniformiert in dunklen Overalls, erscheinen. Mechanisch, abwechselnd schnellen die Füße nach vorn in den Schritt, rechts-links-rechts-links. Als Gruppe gehen sie ins Hüpfen über, dann schnellen die Knie zur Brust, wie auf dem militärischen Übungsplatz. Die Sounds klackern und treiben, sie entwickeln einen Sog gemeinsam mit den Tanzbildern, die die Gruppe ab und an zu einem Wesen verschmelzen lassen. Sie bewegen sich wellenartig, transportieren einander, taumeln. Eine Tänzerin tanzt alleine mit verhülltem Kopf, eine andere kommt in Slow Motion nackt auf das Publikum zu, um von den anderen in den Overall gesteckt zu werden und wieder in die Uniformität zurückzukehren. Vor allem der Sound transportiert an andere Orte, es flimmert und gewittert. Die Hände der Tänzer*innen werden zu Sensoren, schnellen in die Luft, in Richtung der Mittänzer*innen. Es endet, wie es begann, sie fallen zurück ins uniforme Hüpfen, erst eine, dann vier, dann alle. Ein letzter lyrischer Ausbruchsversuch einer Tänzerin, dann fügt sie sich ein.
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