Der 1978 in Barcelona geborene Daniel Brühl ist in den letzten fünf Jahren zu einem der bedeutendsten deutschen Schauspieler auch in internationalen Filmen geworden. In diesem Monat ist er als Liebhaber von Julie Delpy in „Die Gräfin“ zu sehen, seine Zusammenarbeit mit Quentin Tarantino bei „Inglourious Basterds“ wurde gerade im Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes gezeigt.
trailer: Herr Brühl, nach Ihrem kleinen Gastauftritt in „2 Tage Paris“ ist „Die Gräfin“ schon Ihre zweite Zusammenarbeit mit Julie Delpy. Wie haben Sie sie denn überhaupt kennengelernt?
Daniel Brühl: Das liegt an einem gemeinsamen Freund. Den französischen Produzenten Christophe Mazodier habe ich damals bei „Was nützt die Liebe in Gedanken“ kennengelernt. Er hat mir immer von Julie Delpy als einer tollen Frau und einer spannenden angehenden Regisseurin vorgeschwärmt. Christophe hat uns dann auf der Berlinale zusammengebracht, und bei einem ersten Essen haben wir uns prompt sehr gut verstanden. Das Rollenangebot bei „2 Tage Paris“ war dann zwar ein kleines, aber von der Rollenanlage her so absurd – als Fee aufzutreten und eine Bombe in einem Fast-Food-Restaurant abzulegen –, dass ich direkt zugesagt habe. Die Arbeit lief ganz gut, und deswegen meinte Julie, sie melde sich dann irgendwann einmal mit einer anderen Rolle, und das hat sie dann auch gemacht.
Auch bei „Die Gräfin“ ist sie wieder sowohl Hauptdarstellerin als auch Regisseurin. Können Sie etwas dazu sagen, wie Julie mit dieser Doppelfunktion umgeht?
Ich bewundere Leute, die das machen. Sie hat dazu ja auch noch das Drehbuch geschrieben. Es war ein unglaublich nervenaufreibender und harter Kampf für sie. Natürlich ist es als Darsteller auch merkwürdig, dass man von seinem Spielpartner nicht nur als Schauspieler angeschaut wird, sondern auch als Regisseur. Aber das hat sie ganz gut meistern können. Sie hat sich danach immer an den Monitor gesetzt und sich alles angeschaut, auch ihre eigenen Sachen. Bei Quentin Tarantino habe ich jetzt erlebt, dass er gar nicht auf den Monitor guckt, sondern die Schauspieler ausschließlich direkt anschaut. Ich finde es ganz toll, dass es so etwas überhaupt noch gibt. Aber wenn man eine solche Doppelfunktion hat, ist das ideal, um sich selbst überprüfen zu können.
Der Film basiert auf der historischen Figur der Erzebet Bathory. Kannten Sie sie vorher schon oder mussten Sie sich in die Thematik erst einlesen?
Ich kannte sie bereits und dachte damals schon, das wäre ein spannender Stoff für einen Film, den man ja aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln hätte drehen können. Man könnte ja auch an einen total blutigen Splatterfilm denken, wenn man die Geschichte liest. Interessant fand ich dann Julies Ansatz, wirklich ein Portrait über diese Frau zu machen und soweit es eben geht, auch ihre positiven Seiten zu zeigen – wie eine so schöne Frau dazu gekommen ist, so verrückt zu werden.
Bereiten Sie sich denn auf eine historische Figur anders vor als auf eine erfundene?
Bestimmte Sachen waren einfach zwingend notwendig wie z.B. Reiten zu lernen bzw. aufzufrischen. Aber man muss sich auch einem Ton annähern. Julie lag es daran, dass meine Rolle naturalistisch und frisch wirkt und trotzdem eine historische Figur bleibt. Da muss man aufpassen, dass man weder in eine Modernität abrutscht, noch zu steif und hölzern wirkt. Was wahnsinnig dabei hilft, sind tatsächlich die Kostüme. Als wir den Film in heutigen Klamotten geprobt haben, fühlte sich das noch ganz anders an als wenn man schon deshalb anders gehen muss, weil man die hohen Stiefel an hat und bis oben zugeknöpft ist.
Sie sind ja zunehmend in internationalen Produktionen dabei. Werden Sie mittlerweile auch im Ausland auf der Straße erkannt?
Also in Spanien ist das auf jeden Fall so, was mich natürlich sehr freut, denn ich wollte in Spanien schon immer Fuß fassen und als Schauspieler wahrgenommen werden. Dort werde ich in der Tat erkannt. Auch in Argentinien und Frankreich ist mir das schon passiert, aber alles natürlich abgeschwächter als in Deutschland. Und selbst hier kann man sich ja frei bewegen. Dieses Maß an Popularität ist mir auch total lieb. Als Schauspieler braucht man fürs Ego manchmal diese Art von positivem Feedback. Aber es ist nicht so, dass man sich nur noch in einer künstlichen, beschützten Welt bewegen müsste.
Mit Brad Pitt haben Sie jetzt für Quentin Tarantino in „Inglourious Basterds“ vor der Kamera gestanden. War die Zusammenarbeit mit Tarantino so, wie Sie sich die vorgestellt hatten?
Ich wusste schon, dass ich es mit einem Verrückten zu tun habe. Das merkt man schon an seinen Filmen und spätestens beim ersten Mal, wenn man ihn persönlich kennenlernt. Er ist ein Wahnsinniger, ein Kinobesessener. Aber das ist natürlich auch das Schöne daran, dass man mit Tarantino jemanden hat, der vollkommen besessen ist von diesem Medium und für den Kino alles bedeutet. Und sich in die Hände von solch einem Wahnwitzigen zu begeben, macht richtig Spaß. Er liebt Schauspieler und geht toll mit ihnen um. Ich kann nichts Negatives über ihn berichten, obwohl er auch eine unberechenbare Person ist. Mir war es ganz wichtig, bei diesem Projekt dabei zu sein, weil es ein ganz tolles Drehbuch ist und auch eine Rolle, die sehr gut zu mir passt. Vor dem Casting dachte ich mir, dass es einfach hinhauen muss, obwohl ich mir danach überhaupt nicht sicher war. Aber er hat sich am selben Tag noch gemeldet und mir die Rolle angeboten, was ich ihm hoch anrechne, weil es für sein Vertrauen in die Menschen spricht.
Also ist ein Wunsch in Erfüllung gegangen, als Sie mit ihm drehen konnten. Gibt es denn noch andere Wunschkandidaten unter den Regisseuren, mit denen Sie gerne mal drehen würden?
Das ist eine endlos lange Liste. Ich würde gerne mal mit Jim Jarmusch zusammenarbeiten oder mit den Coen-Brüdern. Auch mit Leuten aus Europa wie Michael Haneke, Isabel Coixet oder Pedro Almodóvar. Und dann gibt es die eher unwahrscheinlichen Wunschregisseure wie Martin Scorsese oder so. Aber von den europäischen sind ja durchaus welche dabei, bei denen das irgendwann mal klappen könnte, da muss man einfach geduldig sein.
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