1972 wurde Mark Waschke in Wattenscheid geboren. Nach einer Schauspielausbildung an der Ernst Busch-Hochschule war er in etlichen Stücken an der Schaubühne in Berlin zu sehen. Seit 2005 tritt er auch verstärkt in Film und Fernsehen in Erscheinung. Seiner Rolle als Thomas Buddenbrook in Heinrich Breloers Thomas Mann-Verfilmung folgt nun die Hauptrolle in „Habermann“, in dem Waschke einen Unternehmer im Sudetenland spielt, der es während des Zweiten Weltkriegs mit den NS-Besatzern zu tun bekommt.
trailer: Herr Waschke, kannten Sie die Situation des Sudetenlandes während des Dritten Reiches oder haben Sie sich dazu im Vorfeld eingelesen?
Mark Waschke: Ich habe mich jetzt natürlich noch etwas eingehender mit der Materie beschäftigt. Zu den Zeiten, als ich anfing, politisch zu denken und zu handeln, war das Thema ziemlich besetzt von der reaktionären Ecke, und das ist es bis heute ja immer noch. Eine wirklich interessante Betrachtung des Themas war lange Zeit gar nicht möglich. Die Diskussion wurde fast ausschließlich vom Bund der Vertriebenen geführt, die das Rad der Geschichte gerne zurückdrehen und die einige Grundtatsachen nicht anerkennen wollten, beispielsweise dass Deutschland den Angriffskrieg gestartet hatte. Insofern war mir das Thema bisher sehr suspekt, und ich hätte das gleiche Drehbuch auch niemals mit einem deutschen Regisseur verfilmt, weil mir die Geschichten mittlerweile sehr zuwider sind, in denen die Deutschen sich als Opfer sehen. Deshalb war es ein Geschenk, den Film mit Juraj Herz machen zu können, der Tscheche ist, der aber auch Deutscher und jüdischer Herkunft ist. Für ihn war es einfach ein ganz persönliches Anliegen, diese Geschichte zu erzählen.
Eine besonders eindrucksvolle Szene ist das Schachern um die Menschenleben. Wie erreicht man denn eine solch intime Intensität, und ist diese schon während des Drehs spürbar?
Bei dieser Szene war das sicherlich schon beim Drehen spürbar. Wenn man sich auf den Film und seine Rolle vorbereitet, dann erkennt man diese Szene schon als eine sehr zentrale der Geschichte. In ihr kulminiert alles, und das Verhältnis mit diesem Koslowski wird auf die Spitze getrieben. Man bereitet sich ja vor dem Dreh auf seine Figur vor, und wir hatten vor dieser Szene auch Gott sei Dank schon einige andere gedreht, wir waren schon ungefähr drei Wochen dabei – und das fließt dann alles in solch eine Szene ein. Juraj Herz hat seit Jahren das Arbeitsprinzip, dass er alle paar Sätze mal einzeln haben möchte, man setzt dann immer wieder neu an. Das ist eigentlich eine wahnsinnige Herausforderung für den Schauspieler, weil er dadurch keine Szene durchspielen kann. Und das steigerte in diesem konkreten Fall sicherlich auch die Spannung.
Mit Christoph Hochhäusler haben Sie kürzlich „Unter dir die Stadt“ gedreht, einen Film der Berliner Schule, eine ganz andere Art des Erzählens. Äußert sich das auch schon bei den Dreharbeiten?
Die waren auf jeden Fall ganz anders, aber das hat in erster Linie mit der Persönlichkeit der Beteiligten zu tun, vor allem der des Regisseurs und der Schauspieler. Das ist ein komplett anderes Buch, sehr eigen und, obwohl einer Geschichte folgend, sehr ambivalent gehalten und keine eindeutige Position beziehend. Das ist schon ganz anders als bei „Habermann“, wobei ich bei beiden Filmen mag, dass sie keine eindeutigen Antworten auf etwas geben, so unterschiedlich sie in ihrer Machart auch sein mögen. Sie versuchen beide, den quälenden Widerspruch gut zu beschreiben und nicht mit dem Finger auf irgendjemanden zu zeigen.
Ebenfalls um das deutsch-jüdische Spannungsverhältnis geht es in dem gerade abgedrehten Film von Eran Riklis, „Playoff“, bei dem Sie mitgewirkt haben. War es Zufall, dass Sie fast zeitgleich in so ähnlichen Projekten mitgewirkt haben?
„Playoff“ haben wir diesen Sommer gedreht, „Habermann“ war im letzten Sommer. Die Arbeit von Eran Riklis habe ich im Vorfeld schon sehr bewundert. Ähnlich wie bei „Habermann“ war ich auch hier sehr froh darum, dass es zu dem Thema ein so tolles Buch gab. Eine sehr politische Geschichte wird in einer sehr unpolitischen, nämlich im Sport, aufgeblättert. Ich war sehr begeistert vom Drehbuch und auch von den Dreharbeiten, weil das, was mich an der Gesellschaft und der Politik bis zum Verzweifeln bewegt, hier in einer sehr berührenden Geschichte im besten Sinne erzählt wird. Das Tolle an einem auf historischen Ereignissen des Jahres 1982 basierenden Films ist, dass man diese Zeit schon selbst erlebt hat.
Zu Beginn Ihrer Karriere haben Sie fast ausschließlich Theater gespielt, nun sind Film und Fernsehen dazugekommen. Welchen Stellenwert haben die unterschiedlichen Medien für Sie?
Für mich sind das zwei Kunstgattungen, vergleichbar mit zwei Sportarten, die ganz unterschiedlich sind und die ich beide brauche. Ich merke, wie bei mir das eine vom anderen profitiert und wie es mir fehlt, wenn ich zu wenig Theater spiele, und wie ich merke, dass sich meine Art, Theater zu spielen, durch Filmarbeit sehr verändert hat. Was ich am Drehen sehr schätze, ist die Direktheit, mit der man das Dargestellte meint; die Form entsteht dann erst auf der zweiten Ebene. Im Theater ist es oft so, dass man viel über Ästhetik, eine Form oder Erzählweise redet und darüber den größten Verfremdungseffekt vergisst, dass man nämlich dem Schauspieler alles glaubt, was er auf der Bühne macht. Umgekehrt habe ich beim Theater eine Zeitlang sehr geschätzt, dass man sich mit einem Ensemble von Menschen zusammen inhaltlich auf einem hohen Niveau auseinandergesetzt hat, das passiert beim Drehen nur manchmal, wenn es gut läuft, noch zusätzlich. Beim Film schätze ich hingegen häufig die Eigenverantwortung der Schauspielerkollegen, die oftmals alles über die eigene Figur wissen, und wie sie sich zu verhalten hat. Die müssen dann nicht erst den Regisseur um Hilfe fragen. In dieser Hinsicht könnte das Theater ruhig ein bisschen was vom Film lernen, und die beim Film könnten sich ein bisschen mehr in die Inhalte knien (lacht).
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