Blicken wir mit Pathos auf Europa, dann schweifen die Gedanken durch Zeiten und Räume. Wir denken an die Prägung durch antike Philosophie und Staatskunst, durch Judentum und Christentum; vielleicht daran, dass das Wissen der Antike erhalten geblieben ist, weil es durch die islamische Welt gerettet wurde in Jahrhunderten, in denen der Islam dem Christentum weit voraus war in Fragen von Toleranz und Bildung; betroffen daran, dass das Judentum nicht nur prägende Kraft sondern immer auch Opfer von Verfolgung geblieben ist und dass politischer und religiöser Fanatismus uns weiterhin zusetzen.
Denken wir nüchterner an Europa, dann vielleicht an die 1958 wirksam gewordenen Römischen Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft oder an den im November 1993 wirksam gewordenen Vertrag von Maastricht, der die Europäische Union begründet hat. Große Ideale verbinden sich auch hiermit: Sicherheit, Frieden, Demokratisierung, Wohlstand. Gewöhnt haben wir uns aber an andere Töne, vom Gejammer über bürokratischen Ordnungsfimmel bis zu Austrittsbestrebungen. Es geht um Geld, Märkte und Wachstum, um Macht und die Bevormundung durch Einzelstaaten, darum, welche Identität uns einen könnte und um Angst vor Überfremdung. Wir kritisieren die Gefährdung des Rechtsstaats in Ungarn, die Leichtsinnigkeit der sogenannten deutschen Grenzöffnung von 2015 oder die Verlegung von Sozial- und Umweltlasten in die Länder des Südens.
Es herrscht, mit der Politologin Ulrike Guérot zu sprechen, längst eine „Polykrise“ Europas, von Demokratiedefizit über Bankenkrise, Eurokrise, Nationalismus bis zu Handelskriegen. Wir schauen aber auch anerkennend aufeinander, bewundern die französische Streikkultur, den deutschen Sozialstaat oder den Zusammenhalt der griechischen Zivilgesellschaft. Der Wille, voneinander zu lernen, scheint nicht verloren.
Sollten wir das Projekt Europa trotzdem langsam ausklingen lassen, nachdem gleichsam seinen Mühlen der Stillstand droht? Oder sind brillante Lösungsvorschläge wie ungehört verklungen?
Unser Monatsthema DIE EUROPÄISCHE REPUBLIK spürt solchen Vorschlägen nach. Wann dürfen wir endlich von europäischen BürgerInnen sprechen, von EuropäerInnen also, die ausnahmslos die gleichen Rechte haben, ungeachtet ihrer Geburtsorte? Wie können wir eine europäische Identität vereinbaren mit dem von Millionen Menschen geteilten Bedürfnis, ihre Vorstellungen von Heimat zu pflegen? Welches Kulturverständnis kann uns einander näherbringen, statt dass Kulturstreit zum Herrschaftsinstrument verkommt?
Mühsam? Ja! Aber kommen wir darum herum? Naiv wäre es, anzunehmen, für globale Lösungen könnten wir anders eintreten als eben als EuropäerInnen. Und Lösungen braucht es dringend, angesichts von Klimawandel, Biodiversitätsverlusten, Armut, Digitalisierung, Massendaten, Flucht und Migration. Die Mühen ist es wert.
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Sind wir Europäer?
Wenn aus Gegnern Verbündete werden
Die letzten Europäer?
Wer klein und schwach ist, muss sich starke Freunde suchen – Europa-Vorbild: Luxemburg
„Das Europa-Gefühl existiert“
Zukunftsforscher Daniel Dettling über Europa als Heimat
Gegen den Trend des Inaktiv-seins
Die Jungen Europäische Föderalisten träumen von den Vereinigten Staaten Europas
Wohlige Zerstückelung
Zurück zur Romantik: Von leidenschaftlichen EU-Mehlkörnern
Die letzten Europäer? – Beispiel Luxemburg
Wer klein und schwach ist, muss sich starke Freunde suchen
Gegen welche Regel?
Intro – Flucht und Segen
Weihnachtswarnung
Intro – Erinnerte Zukunft
Ran an die Regeln
Intro – Verspielt
Wie gewohnt
Intro – Europa
Ausgefischt
Intro – Meeresruh
Machtspiele
Intro – Gewaltrausch
Natürlich wählen
Intro – Unsere Tiere
Wahlverwandt
Intro – Beziehungsweisen
Gefahrenzulage
Intro – Arbeit oder Leben?
Ablenkungsversuch
Intro – Hab’ keine Angst
Gelassen ernst
Intro – Unheimlich schön
Zeit des Verlangens
Intro – Ganz schön empfindlich
Politik mit Vorsatz
Intro – Nach der Demokratie
Weihnachtswunder
Intro – Geben und nehmen
Wer die Demokratie gefährdet
Intro – Wer bewacht die Wächter?
Bloß kein Erbarmen
Intro – Digital unverbunden
Wen Lindner so treibt
Intro – Schöne neue Zukunft
Erst die Tat, dann der Glaube
Intro – Grenzverletzung
Gesetz und Zufall
Intro – Geld oder leben