Im Palace of Westminster inmitten Londons spaltet der Brexit das britische Parlament – und mit ihm das ganze Land. In Paris wirbt derweil der französische Staatspräsident Emanuel Macron leidenschaftlich für seine Initiative für Europa, während sein ungarischer Widersacher Viktor Orbán in Budapest das Gegenteil herbeibeschwört: die Abkehr von der Europäischen Union. Themen, die in der Dortmunder Steinstraße auf interessierte, junge Augen und Ohren treffen. Hier, quasi als Untermieter der Europa Union - Europäische Bewegung NRW, haben die Jungen Europäischen Föderalisten (JEF) Nordrhein-Westfalen ihren Sitz – der drittgrößte deutsche Landesverband mit knapp 600 Mitgliedern. Martin Mödder, 28 Jahre alt, ist Vorsitzender der JEF NRW. Europaweit gehören ihr mehr als 13.000 Mitglieder in über 30 Ländern an, 4.000 davon in Deutschland. Sie alle sind nicht älter als 35 Jahre.
„Wir sind in den vergangenen Jahren stark gewachsen, vor allem seit 2016. Das ist durchaus eine Folge des Brexit-Referendums und der Wahl von Donald Trump als US-Präsident. Es gibt viele junge Leute, für die das der Anlass war zu sagen: ‚Es kann nicht so weitergehen wie bisher. Jetzt will, jetzt muss ich mich engagieren’“, sagt Mödder. Die JEF verstehen sich als überparteilich, politisch und vor allem proeuropäisch. Ihr Ziel gleicht in Zeiten von erstarkendem Populismus und Nationalismus in Europa und der westlichen Welt allerdings eher einer schönen Utopie: die Vereinigten Staaten von Europa (oder auch: die Europäische Föderation), ein Bund aus Föderalstaaten, der mehr ist als die EU von heute, nämlich eine europäische Nation.
Entsprungen aus dem Umfeld des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus sind die JEF bereits seit über 70 Jahren aktiv in Europa. Der Föderalismus als einigendes, friedenstiftendes Konzept diente ihren Gründerinnen und Gründern seinerzeit als Leitmotiv. Zehn Kreisverbände, unter anderem in Essen, Bochum, Dortmund und Herne, unterhalten die JEF in NRW.
Markenzeichen der JEF ist die sogenannte Simep, die Simulation des Europäischen Parlaments mit jungen Erwachsenen. Mödder: „Wir laden motivierte Schülerinnen und Schüler ein, einen Tag in die Rolle eines Europaabgeordneten zu schlüpfen. Sie lernen ihre eigene Position zu festigen, Koalitionen zu bilden, zu verhandeln und eine Plenardebatte zu führen – mit dem Ziel, am Ende eine Richtlinie auf den Weg zu bringen, so wie es eben auch im Europaparlament funktioniert.“ Im Mai findet die nächste Simep mit rund 120 Nachwuchs-Parlamentariern in Siegen statt. Zuvor war die Simep bereits in Essen, Dortmund, Duisburg und vielen Städten des Landes zu Gast. „Natürlich haben wir die große Schwierigkeit aus der Blase der von Haus aus Interessierten heraus zu kommen, etwa Politik- oder Jurastudierende. Die Simep bietet uns die hervorragende Chance, Leute zu erreichen, die sich bisher oft nur wenig mit europäischer Politik beschäftigt haben. Denn wir wollen zeigen wie und dass europäische Politik funktioniert“, verdeutlicht Martin Mödder.
Die Jungen Europäischen Föderalisten leben ihr Motto „Europa erleben, verstehen und gestalten“: Seit 2014 fanden Reisen mit Gruppen junger Erwachsener nach Bosnien-Herzegowina, in den Kosovo, nach Kopenhagen und in die Ukraine statt. Außerdem gab es Straßenaktionen, ein Europa-Quiz, Netzwerktreffen, Gespräche mit Abgeordneten oder das Running Dinner, bei dem gemeinsam europäische Gerichte zubereitet werden – Aktivitäten um gegen den Trend des Inaktiv-seins entgegenzuwirken.
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