Klassentreffen funktionieren nach dem Motto „Bekannte Gesichter, gemischte Gefühle“. Man hat sich Jahre nicht gesehen, hat sich angeblich verändert; private Bulletins und berufliche Statusberichte sollen das beglaubigen. Dann stellt sich jedoch schnell wieder die alte Hackordnung her. Vor zehn Jahren haben sieben junge Theaterbegeisterte am Forum Freies Theater in Düsseldorf mit dem belgischen Choreographen Ives Thuwis die legendäre Produktion „Adieu“ erarbeitet. Ein Stück über das Sterben und Abschiednehmen, das zahlreiche Preise gewann und offenbar für die meisten der jugendlichen Beteiligten den Startschuss zur künstlerischen Karriere bedeutete. Jetzt sind die Ausbildungen abgeschlossen, die ersten eigenen Produktionen absolviert, die Zukunft liegt vor allen wie ein Blatt weißes Papier, das auf seine Einschreibungen wartet.
„Die Idee war, mit der Gruppe von damals etwas Neues zu machen. Der Abend geht auf Gespräche von Ives Thuwis mit dem verstorbenen Niels Ewerbeck und Anregungen von Kathrin Tiedemann zurück“, sagt Sebastian Schulz, der heute mit Verena Billinger ein erfolgreiches Duo bildet. „Dream Land: How Things Go“ heißt das neue Opus, das im November in Frankfurt herauskam und jetzt an alter Wirkungsstätte in Düsseldorf gezeigt wird. Natürlich beginnt die neue Produktion mit der berühmten Frostmusik aus Henry Purcells Oper „King Arthur“, in der der Genius der Kälte sich nicht von der Liebe wecken lassen will. Ein Mann im grünen Kapuzenpullover steht auf der Bühne, stützt sich auf einen Besen und sieht vorbeiziehenden Passanten zu. Jemand balanciert eine Wasserflasche auf dem Kopf, eine Frau trägt einen Sternenstab im Mund, jemand streckt sich mit einem Wasserkasten auf dem Boden aus, ein anderer geht – in einer Tasse Tee rührend – vorbei: banale und beiläufige Dinge, die keinen Bezug zueinander haben. Als Zeichen ihrer Fremdheit und Anonymität tragen alle Performer Masken.
Soziale Beziehungen bilden sich nur sehr zögerlich heraus. Da findet sich kurz eine Gruppe von vier Leuten zusammen, eine Frau imitiert einen Mann, zwei Frauen beobachten sich neugierig. Ives Thuwis und die siebenköpfige Truppe haben ein Arsenal an kleinen Bewegungssequenzen entwickelt, das vor allem von Distanzen, Behinderungen, Störungen und Selbstbezüglichkeit erzählt. Nach und nach ziehen sich dann alle bis auf die Unterwäsche aus, die Körper werden verletzlich, die Masken fallen, doch der Schutz der Körperpose bleibt. Sebastian Schulz stellt die einzelnen Mitglieder vor und tanzt „zur Feier des Tages ein emotionales Tanzsolo“. Man plaudert ein bisschen über die neue Zusammenarbeit, vor allem über Streite, Missverständnisse, Träume und Unfälle. Ives Thuwis erzählt von seinem Stolz auf die künstlerische Entwicklung der sieben Darsteller, gibt aber auch zu: „Die Zusammenarbeit als Kollektiv war schon sehr schwierig“. Und erst ganz am Ende schält sich eine gemeinsame Choreographie mit korrespondierenden und sogar synchronen Bewegungen heraus – doch da ist das Klassentreffen auch schon vorbei.
„Dream Land: How Things Go“| Forum Freies Theater/Juta | 27.2., 1./2.3. 20 Uhr | www.forum-freies-theater.de
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