Als mein Bruder noch studierte, ging er samstags gerne mit Kumpeln feiern. In der Stadt wurden sie oft von Skins angepöbelt. Einmal passierte es, dass sie von Pöbelnden nicht nur beschimpft, sondern körperlich angegriffen wurden. Eine Schlägerei mit Verletzten. Mein Bruder und seine Freunde, alle mit dunklem Phänotyp, rannten zur nahegelegenen Polizeiwache und meldeten den Vorfall. Man sagte ihnen, wenn sie keinen Ärger haben wollten, sollten sie samstags einfach zu Hause bleiben. Die Angreifer wurden nicht behelligt. Ausgehen, Feiern – ein Privileg für Weiße? Menschen mit dunkler Hautfarbe ausgeschlossen? Das schien der Standpunkt der Polizei zu sein. Die Polizei, dein Freund und Helfer? Das mag für manche Menschen gelten, doch für meinen Bruder und seine Freunde galt es nicht.
Über 180 Tote
Dieses Ereignis liegt Jahre zurück, doch viele Menschen machen heute noch ähnliche Erfahrungen. Da stellt sich die Frage: Wessen Freund sind Polizisten und wem helfen sie? Die Hüter des Gesetzes schauen oft weg oder werden selbst zu Tätern. Wie in den bekannten Fällen von Oury Jalloh (2005 in Dessau), Amad Ahmad (2018 in Kleve), Ferhat Mayouf (2020 in Berlin). Oder jüngst Mouhamed Dramé (2022 in Dortmund). Nur vier von über 180 Beispielen, die von der Initiative Death in Custody (dt. Tod in Gewahrsam; d. Red.) dokumentiert sind. Die Polizei geht besonders gewaltsam und willkürlich gegen Menschen vor, die „ausländisch“ aussehen. Aber auch gegen Demonstranten aus dem linken Spektrum. Ihr Vorgehen bei der Friedrich-Engels-Gedenkdemo in Oberbarmen vor zwei Jahren ist ein solches Beispiel. Kein Wunder, dass viele Menschen sich mit Problemen nicht an die Polizei wenden. Die Befürchtung, dass ihnen nicht geholfen wird, ist groß.
Mehr Vorfälle innerhalb der Sicherheitsorgane
Lange wurde verleugnet, dass es ein Problem gibt. Der NSU konnte mehrere rassistisch motivierte Bomben- und Mordanschläge verüben, Rechtextreme bekamen Informationen aus Datenabfragen der Polizei, ohne dass die Polizei in Richtung Rechtsextremismus ermittelte. Im Gegenteil, die Opfer wurden oft als Täter diffamiert. Der letzte Innen- und Heimatminister, Horst Seehofer (CSU), hat sich dennoch hartnäckig gegen eine Untersuchung von Rassismus in der Polizei gewehrt. Obwohl die Lageberichte zeigen, dass die Polizei nicht nur wegguckt, wie im eingangs geschilderten Fall, sondern dass es eine Zunahme von Vorfällen innerhalb der Sicherheitsorgane gibt. Eine Mediendienst-Recherche von Oktober 2021 untersucht Rechtsextremismus in Sicherheitsbehörden. Im Zeitraum 2017-2021 gab es fast 400 Ermittlungen dazu in den Landes- und Bundesbehörden. Wenn diejenigen, die Rechtstaatlichkeit sichern sollen, sich nicht an demokratische Werte halten, welche Zukunft hat dann die Demokratie?
Erste Schritte für Vertrauen und Kontrolle
Laut NRW-Innenminister Reul hat der Tod von Dramé in Dortmund zur „größten Veränderung in der Polizei“ geführt. Mehr Trainingstage für die 18.000 Beamten in NRW sind jetzt Pflicht, sowie das Tragen einer Bodycam – wobei die Kamera nicht eingeschaltet sein muss. Da haben die Polizist:innen Ermessungsspielraum. Was den Sinn natürlich fraglich macht.
Diese ersten Schritte sollen für mehr Vertrauen und Kontrolle stehen. Wie auch die inzwischen in fast allen Bundesländern (außer Bayern und Saarland) eingerichteten Polizeibeschwerdestellen, die interne Vorfälle untersuchen sollen. Diese unterstehen jedoch meist dem Polizeipräsidium, sodass eine echte Unabhängigkeit oft nicht gegeben ist.
Wie gesagt, erste Schritte. Denn noch immer fehlt es an wirklich wirksamen Maßnahmen, um die Sicherheitsorgane zu kontrollieren.
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