Ein Wermutstropfen zu Beginn: Das übliche Autorenquartett, bestehend aus Sebastian23 aus Bochum (u.a. Vizeweltmeister im Poetry Slam 2008 und trailer-Ruhr-Kolumnist), Sulaiman Masomi aus Kabul/Paderborn (u.a. Gründer der Paderborner Lesebühne „Lyriker-Lounge“), Andy Strauß aus Münster (u.a. Finalist der Deutschen Poetry Slam Meisterschaften 2007) und Mischael-Sarim Vérollet aus Gibraltar/Bielefeld (u.a. zweifacher Gewinner des Literaturpreis Bielefeld) war nur zu dritt. Letztgenannter Vérollet hatte sich den Angaben seiner Mitstreiter zufolge mit seinen Hosenträgern versehentlich an einem Baum aufgehängt. Ein unglücklicher Umstand, der sich nicht pünktlich zum Positiven wenden ließ.
Sonst war an diesem Abend aber alles beim Alten. Das Publikum im wie gewohnt mehr als gut gefüllten Domicil in der Dortmunder Innenstadt lauschte den Texten der Autoren und klopfte sich ob der humoristischen Qualitäten konstant die Schenkel wund. Musikalisch und zeichnerisch stets adäquat unterstützt von DJ Nachtfalke und Live-Illustrator Artur Fast, gaben sich außerdem zwei weitere Gäste die Ehre. Andreas Weber aus Münster (u.a. Mitglied der monatlichen Lesebühne [Die2]drei) und Poetry-Lokalheld und Regisseur René Sydow aus Witten.
Stets zwischen Genie und Wahnsinn: Andy Strauß. Foto: Benjamin Knoll
Rein ins Vergnügen. Sebastian23, physisch durch Krücken eingeschränkt, feuerte erst einmal einen „Diss“ Richtung Hip-Hopper Kollegah, dem selbsternannten „Boss“ ab, um sich dann lyrisch der beliebten Kapitalismuskritik zu widmen. Es blieb politisch, zumindest auf den zweiten Blick. Sulaiman Masomi trug ein von Riesen und Zwergen erzählendes Märchen vor, das nicht selten die schwammigen Definitionen von Freiheitskämpfern und Attentätern ins Gedächtnis rief. Während Andy Strauß fortan Helge Schneider-ähnlichen Impro-Nonsens am Klavier fabrizierte und das Bild einer sich gegen einen randalierenden Kommunisten-Bären zur Wehr setzenden Kleinstadt wörtlich skizzierte, beschriftete Artur Fast die Kippenschachtel seiner Live-Illustration mit den Worten „hart abdampfen“. Wohl wissend, dass die Autoren auf der Bühne schon seit Beginn des Abends um die Wette rauchten und auch dem Alkohol nicht abgeneigt waren.
Gast-Autor Sydow sorgte dann noch vor der Halbzeit für nachdenklichere Töne. Während der Humor der Stamm-Autoren sich meist konstant auf der Gürtellinie bewegte, überzeugte der Wittener mit durchdachter Gesellschaftskritik, die meist bei fragwürdigem Konsum und sinnbefreitem Zeitverschleiß ansetzte. Highlights nach der Pause: Eine Reise in die Kindheit von Andreas aka. „Actionandy“ Weber und eine durch Perücke und Nasenaufsatz erzielte Verwechselungsgefahr zwischen Sebastian23 und Masomi. Letzterer wünschte sich zu einem abendschließenden Loblied auf die westliche Welt noch „kanakische“ Unterstützung.
Die LMBN zeigte an diesem Abend erneut, wie man einer Lesebühne Eventcharakter verleihen kann. Die Texte der Autoren rücken ein wenig mehr in den Hintergrund, der kleinkünstlerische, entertainerische Faktor nimmt dafür zu. Der Humor ist in Text, Musik und kabarettistischen Einlagen stets das tragende Element. So geht zwar der gemütliche Charme eines klassischen Leseabends verloren, der oftmals leicht elitäre Sparten-Charakter glücklicherweise aber ebenfalls.
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