Jünger und diverser – das ist bekanntlich der neue Bundestag, der sich im Oktober zum ersten Mal zusammenfand. Viel weiblicher ist er allerdings nicht geworden. Lediglich bei knapp 35 Prozent liegt die Frauenquote, zwar eine leichte Steigerung zur vorherigen Legislaturperiode, aber unter dem bisherigen Spitzenwert des 18. Bundestags. Zeit für Veränderung, wenn es nach Roswitha Bocklage geht. Seit 2004 leitet sie die Wuppertaler Stabsstelle für Gleichstellung und Antidiskriminierung, die es im Kern bereits seit 1985 gibt.
Aktuelle Ziele und Herausforderungen
Die Stabsstelle setzt sich dafür ein, dass das Machtgefälle zwischen Männern und Frauen abnimmt. Aktuell befasse man sich vor allem mit der Umsetzung der Istanbul-Konvention. Das 2014 in Kraft getretene Abkommen war im März des vergangenen Jahres erneut in den Fokus gerückt, als der türkische Präsident Erdoğan verkündete, dass das Land die Konvention mit sofortiger Wirkung verlassen würde. Die Übereinkunft verpflichtet die Mitgliedstaaten, sich allen Formen geschlechtsspezifischer Gewalt entgegenzusetzen. Das gelte es auch lokal umzusetzen, so Bocklage, zum Beispiel durch die Beseitigung von Angsträumen.
Besonders die häusliche Gewalt hat während der Pandemie nachweislich zugenommen – die Hilfsorganisation „Der Weiße Ring“ verzeichnete ein Plus von zwanzig Prozent. Dies hätten auch die Wuppertaler Beratungsstellen zu spüren bekommen. Hier zeige sich, wie wichtig die Öffentlichkeitsarbeit der Stabsstelle im Ernstfall ist. „Frauen müssen wissen, dass ihnen weiterhin geholfen wird – auch wenn sonst vieles geschlossen ist.“
Finanzielle Hürden
Ein weiteres Projekt, das die Stabsstelle unterstützt, ist das Queere Zentrum, das 2019 gegründet wurde und zum Begegnungs- und Austauschort der LGBTIQ*-Gemeinschaft Wuppertals geworden ist. Ihre Arbeit verstünden sie als Scharnier zwischen Verwaltung, Politik und Gesellschaft. Alle sechs Wochen tagt der Wuppertaler Ausschuss für Gleichstellung und Antidiskriminierung. Das sei längst nicht in allen Städten so der Fall, sagt Bocklage. Besonders stolz sei sie zudem auf das Kompetenzzentrum Frau und Beruf. Das Gefühl mit ihren Anliegen auf taube Ohren zu stoßen, hätten sie bisher nie gehabt. Oft fehlen jedoch die Mittel. „Es endet immer beim Geld“, so Bocklage. Auch Wuppertal sitzt auf einem Berg aus Altschulden, der auf zwei Milliarden Euro beziffert wird. Einen Vorwurf mache sie der Politik da nicht, es sei schließlich nicht einfach, zwischen mehreren Vorhaben entscheiden zu müssen.
Chancengleichheit in der Politik
Was den Frauenanteil betrifft, sieht es auf kommunaler Ebene oft noch deutlich schlimmer aus als im Bundestag. In Wuppertal sind nur 27 der 80 Stadtverordneten weiblich. Es gehe weniger um Repräsentanz als darum, Strukturen so zu verändern, dass möglichst allen eine Teilhabe ermöglicht wird. „Wer als Frau in die Politik will, muss das auch tun können.“ Es gelte, die Gesellschaft so zu organisieren, dass auch Müttern ein Weg in die Politik offensteht. Das hieße beispielweise auch, dass Sitzungen nicht von den vereinbarten Zeiten abweichen dürften. An einer verbindlichen Frauenquote werde man laut Bocklage in Zukunft nicht vorbeikommen. Nachholbedarf hat da auch Wuppertals Verwaltung, in der es aktuell nur männliche Dezernenten gibt. „Das ist schon etwas peinlich“, kommentiert Bocklage. Bundesweit würde sie sich wünschen, dass man die Pflegearbeit endlich aufwertet: „Wenn man das jetzt nicht schafft, wann dann?“
FRAU ALLEIN - Aktiv im Thema
#EndEndosilence | Die Petition fordert eine nationale Strategie gegen Endometriose, eine chronische und schmerzhafte Unterleibserkrankung bei Frauen.
www.betterbirthcontrol.org | Die Kampagne Better Birth Control wirbt für gerechtere Verhütungsmethoden und mehr Verhütungsaufklärung.
www.shehealth.org | Das Netz She Health möchte die Repräsentanz und Sichtbarkeit von Frauen in der digitalen Medizin erhöhen und gendergerechte Algorithmen entwickeln.
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