Zwischen 28 und 76 Lebensjahren spannt sich das Altersprofil der neuen Kompanie von Gitta Roser. Schon seit 17 Jahre arbeitete sie mit Gerda König, der Grand Dame der Kölner Tanzszene zusammen, nun gründete die Choreografin neben ihrer Arbeit mit DIN A 13 ein eigenes semiprofessionelles Ensemble. Dem Anlass geht pure Freude an der Arbeit voraus. Denn nachdem sie im letzten Jahr von Rolf Emmerich, dem Leiter des Sommerblutfestivals, den Auftrag für eine Produktion mit dem Titel „Spuren“ erhalten hatte, waren sich alle Beteiligten einig: Es muss weitergehen. Man gründete das Ensemble Cie. nomoreless und signalisiert schon im Namen, dass hier alle Grenzen des herkömmlichen Körperverständnisses abgestreift werden sollen.
Dem Ensemble gehören Menschen aller drei Geschlechter an, im Zentrum der Arbeit steht die Aufmerksamkeit für die Besonderheiten von Menschen in Charakter und Physis. „Jeder verfügt über andere Möglichkeiten im körperlichen Ausdruck, durch seine Konstitution und den spezifischen Erfahrungsschatz, den die Tänzer in eine Produktion einbringen“, erklärt Gitta Roser. Das neue Stück heißt „role on“ und soll die Vorstellung von der gesellschaftlichen Zuordnung von Menschen aufbrechen. „Wir wollen vorgelebte und tradierte Verhaltensmuster durchleuchten, Tabu-Themen und Identitäten befragen“, verrät Roser.
Große Ziele, die auf dem Tanzboden konkret angegangen werden. Schon bei den Improvisationen während der Proben kann man beobachten, wie unterschiedlich Bewegung entsteht. „Ein Akteur im Rollstuhl zum Beispiel bringt mit dem Rollstuhl einen zweiten Körper ins Spiel. Wenn ein Duett getanzt wird, verwandelt sich das in ein Trio“, erklärt Roser. „Man hat es auch mit einer anderen Bewegungsqualität zu tun. Das Rollen stellt sich anders dar als die Bewegungen zweier Fußgängerinnen. Jeder verfügt über eine andere Muskelspannung und einen anderen Bewegungsmodus“. Gegebenheiten, die sie in die Choreografie integrieren muss, denn oberstes Ziel ihrer Arbeit ist es: „Stigmata zu hinterfragen, und von denen gibt es sowohl in der Gesellschaft wie in der Tanzwelt mehr als genug.“
Jede Szene muss sich komplett in Bewegung auflösen. Eine Herausforderung, die Gitta Roser gerne annimmt, denn mit den Bewegungsmustern der Menschen, bringen sie auch ihre Lebenserfahrung in die Produktion ein. Alter und körperliche Behinderung werden Teil der Choreografie. Andererseits gibt es kaum Gelegenheiten für Menschen mit körperlichen Behinderungen zu tanzen. Erst die Kunst schafft einen Raum, in dem die Begrenzungen des Alltags einmal fallen können. Ein Unterschied in der Arbeitsweise besteht in der Tatsache, dass semiprofessionelle Darsteller nicht acht Stunden auf dem Tanzboden trainieren können wie Profis. Und jeder lebt noch eine bürgerliche Existenz außerhalb von Barnes Crossing, wo das neue Ensemble Cie. nomoreless jetzt seine künstlerische Heimat gefunden hat.
„role on“ | Ch: Gitta Roser / Claudia Jakobs-Neumeier
Köln: 26.1.(P), 27.1. 20 Uhr, 28.1. 18 Uhr | Barnes Crossing | barnescrossing.de
Dortmund: 8.3. 20 Uhr | Theater im Depot | 0231 982 23 36
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