Essen, 20. Mai – Bis auf den letzten Platz ausverkauft war das Filmstudio in Rüttenscheid, als Vilas Rodizio seine Dokumentation „Auf der Suche nach dem alten Tibet!“ präsentierte. Hinter dem exotisch klingenden Namen Vilas Rodizio, auf dem Plakat als Regisseur angekündigt, verbirgt sich aus gutem Grund ein Pseudonym: Man sei ohne Drehgenehmigung durch Tibet gereist und möchte nach Fertigstellung des Films bei der nächsten Reise möglichen Visum-Schwierigkeiten aus dem Weg gehen. Gleich zu Beginn stellte er sich selbst als praktizierenden Buddhisten vor, und so wirkt sein Film auch eher wie ein buddhistischer Reiseführer durch Ost-Tibet, bei dem zahlreiche Klöster und Einsiedeleien bereist werden und manch hoher religiöser Würdenträger und Lama vor Rodizios Linse kommt.
Als Tourist sei es kein Problem, in Tibet Filmaufnahmen zu machen; im Gegensatz zu professionellen Drehs, vor die die chinesische Zentralregierung schnell einen Riegel schiebt. In Bezug auf die politischen Verhältnisse hält sich der Regisseur im Film und auch im Gespräch zurück. Er beschreibt seine Begegnung mit den Lamas in Tibet eher als Suchender auf einer Pilgerfahrt, und dies sei auch der Weg gewesen, mit diesen Leuten überhaupt vor der Kamera ins Gespräch zu kommen. Auf die Frage, ob die Mönche immer verstanden hätten, dass sie später in Deutschland im Kino zu sehen sein werden, schmunzelt der Regisseur und erzählt die Anekdote, dass einmal ein Ansteckmikro dazu verwendet worden sei, sich die Ohren zu reinigen. Dennoch glaubt er, dass die Mönche durchaus seine gute Absicht und seine aufrichtige Haltung gespürt und ihn als praktizierenden Buddhist akzeptiert hätten; zum Teil nachdem sie sich nach seiner buddhistischen Praxis und Ausbildung erkundigt hatten.
Rodizio interessiert sich für die übernatürlichen Fähigkeiten der großen Yogi-Meister, und so begibt er sich auf die Suche nach magischen Geschichten und wundersamen Reliquien. „Wer glaubt das Dinge wirklich sind, ist dumm wie eine Kuh“, ist das Eingangszitat des Films und Rodizio schließt im Gespräch an, dass sich mit unserem westlichen Weltbild viele Dinge nicht erklären lassen. Als Sohn eines deutschen Ingenieurs findet er in Bezug auf die übernatürlichen Phänomene einen kritischen Geist in Ordnung und meint, dass man nicht alle Wunder glauben muss. Er parkt diese wundersamen Geschichten in einer eigenen „Grauzone“, die möglicherweise irgendwann innerhalb seines Erfahrungshorizont gelangen mögen. Dennoch verwendet er in der Dokumentation recht viel Zeit darauf, wundersame, riesige Fußabdrücke an buddhistischen Kraftzentren zu filmen oder Archivmaterial – von den Mönchen in den Klöstern im Homevideo-Stil aufgenommen – als filmisches Beweis-Material heranzuziehen. Er erklärt viel im Kommentar aus dem Off und lässt seine Bilder nicht sprechen, so wenn er uns beispielsweise „den heiligsten und kraftvollsten Platz Tibets“ anbietet.
Beeindruckend sind die körperliche Belastbarkeit, Disziplin und Genügsamkeit, mit denen sich große Yogi-Meister in ganz unwirtlichen Umgebungen jahrzehntelang ausschließlich der Meditation widmen. In der kargen Höhle einer Einsiedelei Tag und Nacht in der Meditation sitzend, bei bis zu minus 30 Grad im Winter, mit wenig Nahrung und Schlaf, ziehen sie sich ganz zurück vom weltlichen Lauf und arbeiten daran, die Traumhaftigkeit aller Dinge zu überwinden.
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