Essen, 15. August – Mit einem langen Applaus würdigten die Zuschauer im Essener Filmstudio spürbar berührt Julia Oelkers, die als Preview ihren engagierten Dokumentarfilm Can’t Be Silent vorstellte. Sie dokumentiert mit mitreißenden live-Aufnahmen das Bandprojekt Strom & Wasser feat. the Refugees, und gleichzeitig gelingt es ihr, die Asylpolitik der Bundesregierung bis in verstörende Details zu schildern. Denn die Musiker der Band sind Asylbewerber in Deutschland. Ausländeramt, Reisegenehmigung, Asylantrag, Aufenthaltserlaubnis, Lager: dahinter verbergen sich dramatische Einzelschicksale von Menschen. Sam aus Gambia, Hosain aus Afghanistan und Jacques aus der Elfenbeinküste sind coole, sympathische Jungs, fantastische Musiker; gleichwohl droht ihnen permanent die Abschiebung von einem auf den anderen Tag, und das seit Jahren. Oelkers plädiert im Filmgespräch dafür, dass Asylrecht eine Selbstverständlichkeit sein muss.
„Musik hält mich am Leben. Ohne Musik wüsste ich nicht weiter“, sagt Sam, der wie die anderen in einer völlig ungewissen Situation mit pendelnden Asylanträgen leben muss. An der Tür seines Zimmers ist ein mit Edding geschriebener Satz zu lesen: „Good things come to those who wait.“ Das kann in Anbetracht der erbärmlichen Bedingungen unter denen er und andere Flüchtlinge in Deutschland leben müssen nur als Euphemismus gewertet werden. Eingeschränkt in seiner Reisefreiheit, mit Arbeitsverbot belegt und vom Alltagleben in Deutschland ausgeschlossen, ist das Band-Projekt für ihn und die anderen Musiker ein Hoffnungsschimmer. Jacques bringt es auf den Punkt, wenn er frustriert feststellt: „Ohne dieses Projekt bin ich immer in Bramsche im Lager ohne Kontakt zu anderen Menschen.“, und mit Tränen in den Augen kommentiert er seine Lebenssituation nach einem mitreißenden Auftritt auf einem gutbesuchten Festival: „Ich bin kein Krimineller.“ Immer wieder vergleichen die porträtierten Musiker die Unterkünfte für Asylbewerber mit Gefängnissen.
Initiiert wurde das Bandprojekt von dem deutschen Liedermacher Heinz Ratz, der im Jahr 2011 rund 80 Flüchtlingsunterkünfte besuchte und dort Konzerte gab, um seiner Solidarität mit den Asylsuchenden Ausdruck zu verleihen. Die BewohnerInnen lud er zum Musizieren ein, und so gründete sich eine aufregende Combo, die saftigen Rap mit Reggae und afrikanischen Beats kombiniert und deutschlandweit die Menschen zu begeistern versteht. Eine der eindrücklichsten Szenen in Oelkers Dokumentarfilm ist die Verleihung einer Auszeichnung für Integration im Bundeskanzleramt. Während Heinz Ratz die Medaille zwar annimmt, aber bei dem Anlass mit scharfen Worten die Ausländerpolitik der Bundesregierung geißelt, mutet die Integrationsbeauftragte Marie Böhmer wie eine patronisierende Märchentante an, an der die Kritik abprallt. Die ebenfalls angereisten Musiker, darunter der afghanische Rapper Hosain werden behandelt wie Statisten, die danebenstehen. Hosain ist einige Monate später schlichtweg schockiert, als er nach dieser Einladung im Bundeskanzleramt die Aufforderung zur Ausreise zugestellt bekommt.
Im Filmgespräch lobten die Zuschauer einmütig, dass die Flüchtlinge im Film selbst zu Wort kommen. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass gerade in Essen eine politische Diskussion im Gang sei, Flüchtlingen in Zukunft Gutscheine anstelle von Bargeld auszuhändigen, um das Asyl unattraktiv zu machen. Der Druck auf die Flüchtlinge steige rapide, durch Isolation sei es praktisch unmöglich für die Menschen, sich zu integrieren.
Am 30.9. bietet sich die Gelegenheit, die Band Strom & Wasser feat. The Refugees live in Essen zu erleben.
www.strom-wasser.de
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