Wenn es in den letzten 40 Jahren in Kölns Filmlandschaft eine feste Größe gab, dann war es Helmut W. Banz. Als Filmkritiker hat er für die Kölnische Rundschau und den Kölner Stadt-Anzeiger geschrieben. In den letzten Jahren ist er publizistisch verstummt, eigentlich unbegreiflich angesichts seines phänomenalen Wissens und seines untrüglichen Filmgeschmacks. Der „Banz“, wie er in der Stadt respektvoll genannt wurde, hat mehr für die Filmbildung einer ganzen Generation von Cineasten in dieser Stadt geleistet als jeder Pädagoge, und von Politikern sollte man vielleicht besser gar nicht reden. Die öffentlich geförderte Filmkultur ist in Köln über Jahrzehnte hinweg bis zur Bedeutungslosigkeit verkommen.
Banz war jemand, der sich an vorderster Front für den Film eingesetzt hat. Als er gemeinsam mit Gert Berghoff die Cinemathek betrieb, kam niemand an ihm - dem bärbeißigen Zerberus an der Kasse - vorbei. Dafür konnte man dann an einem Tag einen Film von Bergman, danach einen Godard und schließlich noch ein Meisterwerk von Ozu sehen, oder eines von Russ Meyer oder einen frühen Wenders oder Meliès. Das war Filmbildung, wie sie heutzutage keine Hochschule mehr zu bieten vermag.
Man sagt, wenn in Afrika ein alter Mann stirbt, dann ist es so, als würde eine ganze Bibliothek vernichtet. Als Helmut W. Banz jetzt im Antonius Krankenhaus im Kölner Süden gestorben ist, sind mehrere Bibliotheken mit ihm verschwunden. Denn das Banz-Gedächtnis umfasste nicht alleine die gesamte Spanne der Geschichte des Mediums Film, sondern in ihm war auch das Wissen darüber gespeichert, wo noch ein Film aufzutreiben war, dessen Kopie als verschollen galt.
Als die Cinemathek aufgeben musste, und selbstverständlich in Köln kein Ersatz für diesen Verlust geschaffen wurde, trotz geschwollenem Gerede, schloss er sich den Enthusiasten des Filmclub 813 an. Dort, im Kreise einer wesentlich jüngeren Generation, fand der nun mit 71 Jahren verstorbene Banz dann doch noch einmal eine Heimat. Gerne hat er sich vor seiner Bibliothek fotografieren lassen. Ich erinnere mich noch, wie ich ihm gleich nach dem Erscheinen des Bilderbuchs „Hugo Cabret“ auf dem Büchermarkt in der Alten Feuerwache ein druckfrisches Exemplar schenken konnte. Ich wusste, in seiner Sammlung ist es gut aufgehoben. Banz gehörte noch zu jenen Cineasten, für die der Film das Kind der Literatur war. Aber davon will das Kino heute nicht mehr viel wissen, so hielt sich seine Begeisterung für die aktuelle Filmproduktion auch in Grenzen. Gleichwohl konnte man von ihm lernen, einen Film mit anderem Blick zu betrachten. Schräg von der Seite, mit einem Gespür für Nebenfiguren und Details, Zitate und Geschichten, die sich aus ihren Bildern und nicht aus einem vertrockneten Skript entwickeln. Mit Helmut W. Banz wird auch ein Teil der Filmgeschichte zu Grabe getragen. Die Lücke, die sein Tod schlägt, lässt sich nicht schließen.
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