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Fotos: Karin de Miguel Wessendorf

„Ich wollte die Geschichte dieser Mädchen unbedingt erzählen“

22. April 2024

Karin de Miguel Wessendorf über „Kicken wie ein Mädchen“ – Portrait 04/24

Karin de Miguel Wessendorf („Weniger ist mehr – Die Grenzen des Wachstums und das bessere Leben“, „Die Rote Linie – Vom Widerstand im Hambacher Forst“) arbeitet an einer sechsteiligen Doku-Serie „Kicken wie ein Mädchen“ - über Mädchen, die Profifußballerinnen werden möchten. Die ersten beiden Folgen wurden 2023 erstmals auf dem DOK.Fest München gezeigt – und werden am 5. Mai im Astra Essen (11 Uhr) und 15. Mai im Filmforum Köln (19 Uhr) ihre NRW-Premieren feiern. Die erste Episode war zudem beim diesjährigen IFFF Internationalen Frauen Film Fest in Köln und Dortmund in der Sektion Kinder und Jugendliche zu sehen.

Karin, du hast deine Dokuserie komplett ohne TV-Sender oder Filmförderungen geplant. Warum?

Ich habe mich am Anfang des Projektes an Fernsehredaktionen gewendet mit meiner Idee, eine Doku über Mädchen zu machen, die Profifußballerinnen werden möchten. Doch die Redaktionen waren daran nicht interessiert. Ich schätze, die Sender haben im Thema Frauenfußball nicht das Potential gesehen, das ich sah. Eine Filmförderung habe ich auch nicht erhalten. Das Normale wäre gewesen, das Projekt mangels Finanzierungsmöglichkeiten aufzugeben. Doch ich wollte die Geschichte dieser Mädchen unbedingt erzählen. Ich fand die Themen, die die Serie anspricht, zu wichtig, um das Projekt aufzugeben. Daher habe ich erstmal mit Corona-Stipendien und mit Hilfe eines Crowdfundings die Dreharbeiten und Teile des Schnitts finanziert. Ich bin damit ein großes Risiko eingegangen. Doch in bin nach wie vor der Überzeugung, dass die Geschichte, die ich erzähle, viele Menschen interessieren und begeistern wird.



Ein Jahr lang hast du die weibliche U15-Mannschaft der SGS Essen begleitet. Wie hast du die Mädchen dort erlebt?

Ich war sehr beeindruckt davon, wie leidenschaftlich, ehrgeizig und selbstdiszipliniert diese Mädchen trotz ihres jungen Alters sind. Wie hart sie daran arbeiten, ihr selbstgesetztes Ziel zu erreichen. Mich hat auch beeindruckt, wie selbstreflektiert sie sind. Das hat wahrscheinlich damit zu tun, dass es heutzutage für Mädchen immer noch schwieriger ist, Fußball zu spielen als für Jungs. Immer wieder müssen sie sich erklären, sich in der Welt der Jungs durchsetzen, sich gegenüber Vorurteilen und Rollenklischees behaupten und schlimmstenfalls Diskriminierung oder sogar Mobbing erleben. Und sie wissen: Auch wenn ihr Traum einer Profikarriere in Erfüllung geht, werden sie sehr wahrscheinlich nicht davon leben können. Dass sie sich in der Männerdomäne Fußball trotzdem durchsetzen, gibt ihnen viel Kraft. Das hat viel damit zu tun, dass sie von tollen Trainer:innen ausgebildet werden, die ihnen beibringen, mutig, kämpferisch und selbstbewusst zu sein. Das ist ein sehr wichtiger Aspekt, den ich in der Serie besonders beleuchten wollte.

In deiner Serie sprichst du nebenbei ungeheuer viele Themen an – es geht um Empowerment, Vorurteile und Diskriminierung und zu wenig Role Models. Wo siehst du nach deiner künstlerischen Langzeitbeobachtung die größten Herausforderungen? 

Ich glaube, dass sich gerade viel ändert. Das sieht man daran, wie viele Menschen die letzte Fußball-EM und -WM der Frauen verfolgt haben oder dass viele die Namen der Nationalspielerinnen kennen, was lange nicht der Fall war. Doch es gibt immer noch viel zu tun. Vor allem müssen Strukturen verbessert werden. Eine der Protagonistinnen meiner Serie fährt 90 Kilometer von ihrem Heimatort zum Training nach Essen, weil es sehr wenige Mädchenmannschaften auf diesem hohen Niveau gibt. In vielen Gegenden gibt es nicht mal im Breitensportbereich Mädchenmannschaften, obwohl Fußball die drittbeliebteste Sportart bei Mädchen ist. Sie müssen in Jungsmannschaften spielen, in denen sie nicht immer gut aufgehoben sind. Viele geben den Fußballsport auf, weil die Bedingungen nicht stimmen. Es gibt oft nicht mal Kabinen für Mädchen. Es gibt kaum einen Beruf, in dem der Gender Pay Gap so groß ist. Sehr auffällig fand ich, dass die Vorbilder der angehenden Fußballerinnen fast immer Männer sind. Eine der Protagonistinnen sagt im Interview: „Auf Medaillen sind immer nur Jungs drauf“. Das hat mich sehr gerührt. Mädchen brauchen starke weibliche Vorbilder und auch Symbole, die sie sichtbar machen und ihnen zeigen, dass sie Erfolg haben können.
Fußball ist aber nur ein besonders ausgeprägtes Beispiel für Ungleichbehandlung. In meiner Serie steht er stellvertretend für viele andere Bereiche in der Gesellschaft, in denen die Leistungen von Frauen nicht im selben Maße gewürdigt werden wie die von Männern. Da muss sich auf vielen Ebenen noch viel ändern.

Die Fertigstellung der Dokuserie ist auf Spenden angewiesen. Informationen hierzu finden Sie unter https://kickenwieeinmaedchen.de/

Interview: Rüdiger Schmidt-Sodingen

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