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Ibuprofen wie Smarties

07. Oktober 2020

Fatale Folgen bei unreflektiertem Umgang mit Schmerzmitteln

Nicht zurückstecken, weitermachen, leistungsfähig sein, auch wenn es ziept und zwackt oder der Erkältungsbrummschädel keinen klaren Gedanken zulässt. Statt sich mit Ruhe, frischer Luft und häufigem Trinken zu therapieren, führt der Weg oft zum Medizinschränkchen, wo man sich Schmerzmitteltabletten einschmeißt. Meist handelt es sich um folgende Wirkstoffe bzw. Medikamente: Acetylsalicylsäure (ASS), Iboprofen oder Paracetamol, aber auch Diclofenac und Voltaren gehören zu den beliebten nicht verschreibungspflichtigen Analgetika. Doch mit diesen Mitteln tut man nichts gegen die Ursachen von Unwohlsein oder Schmerz.

Die Meinung, was der Arzt nicht verschreiben muss, kann schon nicht (so) gefährlich sein, ist zum einen weitverbreitet und zum anderen falsch. Ärzte und Apotheker warnen immer häufiger vor den teils gravierenden gesundheitlichen Folgen, die die übermäßige oder regelmäßige Einnahme von Schmerzmitteln nach sich ziehen kann. So kann Paracetamol die Leber nachhaltig schädigen, ASS und Iboprofen greifen Magen und Nieren an und können zu innerem Bluten führen. Gleichzeitig steigt bei Voltaren und Paracetamol nach der Einnahme für bis zu 30 Tage das Risiko von Herzproblemen bis hin zur Herzattacke signifikant an. Je nach Mittel um bis zu 50 Prozent. Harmlos ist definitiv anders.

Laut dem Ärzteblatt legen Daten nahe, dass der Schmerzmittelkonsum der Deutschen „wenigstens unreflektiert“ ist. Jeder zweite Erwachsene schluckt demnach jeden Monat und ohne ärztlichen Rat mindestens einmal rezeptfreie Analgetika. Knapp 13 Prozent nehmen Iboprofen und Co. laut einer Untersuchung des Robert Koch-Instituts aus dem Jahr 2014 auch länger als vier Tage, ohne einen Mediziner zu konsultieren.

Organschäden durch rezeptfreie Schmerzmittel

Alles deutet darauf hin, dass der Missbrauch von Schmerzmitteln ein gesellschaftliches Problem ist. Wer erkältet oder mit Schmerzen dennoch zur Arbeit kommt, gilt als harter Hund, alle anderen sind Weicheier. Wohin das führen kann, zeigen Beispiele aus dem Profi- aber auch aus dem Amateurfußball, wo der Gebrauch von Analgetika völlig aus dem Ruder zu laufen scheint, wie im Juli das Recherchenetzwerk Correctiv und die ARD-Dopingredaktion zeigten. „Was ich in den letzten 14 Jahren mitbekommen habe: Iboprofen wird wie Smarties verteilt“, sagt Union-Berlin-Verteidiger Neven Subotic über den Alltag in der Kabine. Ein Beispiel, welche schlimmen Folgen die regelmäßige Einnahme haben kann, stellt der ehemalige Werder Bremen-Profi und kroatische Nationalspieler Ivan Klasni dar. Ihm waren über Jahre Schmerzmittel von den Vereinsärzten auch prophylaktisch verabreicht worden, was zu einer Niereninsuffizienz führte. Klasni brauchte eine Spenderniere, die er von seiner Mutter bekam. Er spielte anschließend weiter und wurde vom Fußballmagazin Kicker mit der Ehrung „Mann des Jahres“ im deutschen Fußball 2007 ausgezeichnet. Übersetzt bedeutet die Ehrung: Setzt Gesundheit und Leben aufs Spiel und ihr seid ganze Kerle.

2008 belegt dann die Studie Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KIGGS) die „Vorbildfunktion“ von Fußballern: 13 Prozent der 14- bis 17-jährigen Mädchen und knapp sechs Prozent der gleichaltrigen Jungen gaben an, in den letzten sieben Tagen vor der Befragung Schmerzmittel ohne medizinischen Rat eingenommen zu haben.

Mittlerweile lebt Klasni übrigens mit seiner dritten Spenderniere. Vor dem Landgericht Bremen verklagte er die Teamärzte von Werder. 100.000 Euro Schmerzensgeld und Verdienstausfall von einer Million Euro wurden ihm zugesprochen.

 

Aktiv im Thema

www.akdae.de | Der Auftritt der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft mit umfassenden Infos u.a. zu Arzneimittelsicherheit und -therapie.
www.dhs.de | Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e. V. versteht sich als Plattform für bundesweit tätige Verbände und Vereine, die Suchtkrankenhilfe anbieten.
www.bfarm.de | Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte informiert über entsprechende Prüfungs- und Zulassungsverfahren, Forschungen und rechtliche Aspekte.

 

Bernhard Krebs

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