Die Beschneidung von Jungen ist ebenso Gewalt gegen Kinder wie die Genitalverstümmelung von Mädchen, und beides sollte verboten werden, da gibt es für Ulla Barreto keinen Zweifel. „Auch Jungen werden stark traumatisiert, das weiß ich aus persönlichen Gesprächen mit betroffenen erwachsenen Männern“, berichtet die Dortmunder Aktivistin, die sich gegen die Genitalverstümmelung bei Mädchen engagiert.
40 Jahre ist es her, seit sie in Kenia erfuhr, was allein in Deutschland jährlich geschätzte 4000 und weltweit mehr als drei Millionen Mädchen erleiden müssen: „Es hat mich wie ein Donnerschlag getroffen“, erinnert sie sich noch heute. „Auch wenn Mädchen dabei sterben, wird das einfach totgeschwiegen und als gottgegebenes Schicksal hingenommen“, empört sie sich. Auch 18 Jahre später hatte sich an der archaischen Folter nichts geändert: „Mein Mann ging damals zurück nach Kenia und begann mit Aufklärungskampagnen. Er wurde in manchen Orten am Tana River von den Leuten mit Steinen beworfen.“
„Beschneiderinnen verbrennen Frauen mit glühenden Eisen das Innere ihrer Vagina“
Von Deutschland aus wurde auch Ulla Barreto aktiv, suchte MitstreiterInnen und gründete schließlich mit dem Verein „TABU“ eine Organisation, die vor allem „Graswurzelarbeit“ betreibt: „Wir konzentrieren uns auf die Arbeit dort und betreiben einen Kindergarten mit Vorschule und eine achtklassige Primary School. Bei der Anmeldung müssen Eltern unterschreiben, dass sie Unversehrtheitsuntersuchungen zustimmen, die professionell in einer nahen Praxis durchgeführt werden.“ Ein System, das funktioniert und die Mädchen vor der Verstümmelung schützt. Vor allem eines, das auch von den großen Hilfsorganisationen übernommen werden könnte: „Sie sind in den betroffenen Ländern mit maßgeblichen Leuten gut vernetzt, könnten weit härtere Bedingungen für geleistete Unterstützung stellen und damit viel mehr erreichen, aber für sie ist das Thema einfach noch ein sehr heißes Eisen.“
Währenddessen nimmt die Gewalt gegen Frauen immer neue Formen an: „Aus Somalia ist jetzt eine neue Methode nach Kenia gekommen, bei der die Beschneiderinnen Frauen mit glühenden Eisen das Innere der Vagina verbrennen, so dass der Geburtskanal durch die Vernarbungen auch nach vielen Geburten enger und die betroffenen Frauen für ihre Ehemänner wieder ‚attraktiver‘ werden. Wieder eine Folter, bei der die weiblichen Sexualorgane letztlich völlig zerstört werden.“ So muss das uralte Auto von CAFGEM, dem Förderprojekt von TABU e.V. in Kenia, wieder auf Tour gehen, aufklären, überzeugen: „Gewalt gegen Frauen, Beschneidungen von Mädchen und Jungen, das sind archaische Rituale, die gegen die Menschenrechte verstoßen“, sagt Barreto. Und dagegen wird sie weiter kämpfen.
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