Es ist ein altbekanntes Bild in den großen NRW-Städten. Zur Feierabendzeit drängen die PKW-Fahrer*innen nach Hause. Die Folge: überfüllte Straßen, die nicht nur die Natur belasten. Denn durch laute Motoren- und Bremsgeräusche oder das Hupen sind Anwohner*innen in den Stadtzentren oft einer massiven Lärmbelästigung ausgesetzt. Langfristig kann das zu gesundheitsschädlichen Auswirkungen wie Schlafstörungen führen.
Neu ist diese Erkenntnis nicht. So bilanzierte die Europäische Kommission bereits Mitte der 1990er, dass jede*r fünfte Bürger*in einem Lärmpegel ausgesetzt ist, der von Wissenschaftler*innen und Mediziner*innen als untragbar eingestuft wird. Viel hat sich daran nicht geändert. Zwar werden etwa auch in NRW Schallschutzmaßnahmen ergriffen, um die Lärmbelästigung zu reduzieren. Das geschieht durch passive Maßnahmen wie dem Bau neuer Fahrbeläge – Asphalt statt schadhaften Pflaster. Oder durch sogenannte aktive Maßnahmen, durch denen der Motorenlautstärke offiziell eine Grenze gesetzt wird. Doch wer kontrolliert das schon in den täglich auftretenden Verkehrsstaus?
Als effizienteste Maßnahme gegen die Lärmbelästigung gilt das Modell eines kostenlosen Nahverkehrs. Eine Vorbildfunktion nimmt in dieser Hinsicht Estland ein. In der Hauptstadt Tallinn nutzen die Bürger*innen seit 2013 kostenlos Bus und Bahn. Dieses Projekt soll durch den Bau von weiteren Tramlinien noch ausgebaut werden. Aber immerhin: Innerhalb von zwei Jahren sattelten insgesamt acht Prozent der Bewohner*innen um und verzichteten auf ein Auto.
Finanziert wird der kostenlose ÖPNV durch Steuereinnahmen – für viele eine contra-Argument. Doch indirekt verursacht eine autofreundliche Stadt noch größere Kosten für die Allgemeinheit, wie auch das deutsche Umweltbundesamt festhält. Langzeitfolgen des Verkehrslärms wie Gehörschäden, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck und Herzinfarkte müssen behandelt werden. Verkehrsökolog*innen sprechen in diesem Fall von „externen Effekten“. Kurz: Die Kosten werden auf andere Bereiche abgewälzt, jedoch vom Verkehrslärm verursacht.
In Tallinn wurden die gehörschädigenden Individualmotoren zum Teil aus dem Straßenbild verbannt und komplett zu Busspuren umfunktioniert. Auch die Ampelschaltung wurde umgestellt und wechselte für die Busse besonders schnell auf grün – zum Nachteil der PKW-Nutzer*innen, die länger warten müssen. Das ist wiederum einen negativen Effekt für alle zur Folge: Viele Fahrer*innen sind verärgert und hauen vor Wut auf die Hupe.
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