trailer: Herr Ebert, ist die Kultur- und Kreativwirtschaft wirklich so bedeutend wie oftmals gesagt wird?
Ralf Ebert: Ja, das ist sie, jedoch mit Einschränkung. Die Branche der Kultur- und Kreativwirtschaft trägt zum strukturellen Wandel des Ruhrgebiets bei. In den letzten Jahren gab es natürlich einen politischen und medialen Hype um die Kultur- und Kreativwirtschaft. Wenn wir uns nun wieder dem Alltagsgeschäft zuwenden, werden wir feststellen, welche Chancen diese Branche im Ruhrgebiet hat.
Gibt es da überhaupt Chancen?
Die Chancen sind andere als in anderen Metropolen. Kultur- und Kreativwirtschaft kann sich nur entwickeln, wenn es Nachfrage seitens der Bevölkerung oder auch der Wirtschaft gibt. Hier steht das Ruhrgebiet nicht so gut da. Die Kaufkraft ist unter-durchschnittlich. Bestimmte Felder sind außerdem besetzt. Für die Filmwirtschaft kann man zum Beispiel in Deutschland nicht noch einen weiteren Standort entwi-ckeln. Auch der Kunstmarkt ist schwerpunktmäßig schon woanders zuhause. Dies lässt sich nur mit großem Aufwand ändern. Chancen hat die Kreativwirtschaft im Ruhrgebiet bei den für die Entwicklung anderer Wirtschaftsbranchen bedeutsamen dienstleistungsorientierten Branchen, also etwa in der Werbe- und Designwirtschaft.
Und dann schafft das Ruhrgebiet den Strukturwandel?
Es ist dabei, jedoch ist die Kreativwirtschaft nicht der Motor des Strukturwandels. Dieses Bild stimmt nicht. Ich würde die Entwicklung mit einem Achter vergleichen. Einer der Ruderer ist dann die Kultur- und Kreativwirtschaft.
Die Anzahl der Arbeitsplätze, die bei Opel in Bochum jetzt verloren gehen, können nicht zeitnah in der Kreativwirtschaft geschaffen werden?
Nein, natürlich nicht. Hier gilt wie in anderen Branchen auch, dass die Entwicklung von der Nachfrage abhängig ist. In den 80er und 90er Jahren hatten wir für Produkte der Kreativwirtschaft tatsächlich eine hohe Nachfrage. In der Musik-, Buch- und auch Filmwirtschaft gibt es aufgrund der Digitalisierung inzwischen aber in einigen Segmenten Einbrüche bei der Nachfrage.
Sind Sie mit der staatlichen Förderpolitik zufrieden?
Das lässt sich so pauschal nicht beantworten. Auf jeden Fall ist es gut, dass es sie seit vielen Jahren in NRW und seit einiger Zeit auch auf EU- und Bundesebene gibt. Doch setzen manche Strategien meines Erachtens nicht an den richtigen Stellen an. Das zeigt zum Beispiel das Künstlerhaus Dortmund, an dessen Gründung ich beteiligt war. Indirekt ist es seit Jahren auch ein Inkubationszentrum. Ein Großteil der Leute, die damals dabei waren, sind da heute nicht mehr drin und sind inzwischen selbstständig tätig. Solche und ähnliche Einrichtungen sind eher zu unterstützen als etwa neu geschaffene Gründerzentren. Auch sollte man etwa die Clusterpolitik des Landes, so ein mit anderen Experten erarbeiteter Vorschlag, mehr regional verankern.
In den Bau und Unterhalt der Leuchttürme, das Dortmunder U, Zollverein und andere, wurde viel Geld investiert. Sind das Millionengräber?
Das Ruhrgebiet braucht diese Leuchttürme. Je nach Konzeption und den Qualitäten des umgebenden urbanen Angebotsmix‘ haben sie eine Bedeutung für die Entwicklung der Kultur- und Kreativwirtschaft. Das Problem ist die hohe Erwartungshaltung, die mit diesen Leuchttürmen verbunden ist. Man sollte da den Ball eher flach halten.
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