Der Tag eines Sprach- und Integrationsmittlers kann mitunter sehr lang werden. Oft beinhaltet er Situationen, die nicht ganz spurlos an der Person vorbeigehen: „Früh am Morgen ist er*sie bei einer Abschiebung dabei, wenn die Ausländerbehörde Menschen aus einem Haus herausholt, gegen Mittag übersetzt er*sie im psychosozialen Zentrum während eines Therapiegespräches und abends ist er*sie noch zu einer Schulkonferenz unterwegs“, erläutert Achim Pohlmann, Geschäftsführer der Wuppertaler SprInt eG. Die Genossenschaft fängt die Mitarbeitenden auf, wenn sie dabei mental und emotional an ihre Grenzen stoßen – gerade wenn sie miterleben müssen, wie Menschen aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen werden oder es um belastende Themen wie Kindesmissbrauch oder Krebsdiagnosen geht.
Ein neues Berufsbild
Zusammen mit dem Zentrum für Interkulturelle Kompetenz der Justiz NRW (ZIK) istdie Genossenschaft nun auch Teil des Projekts „Diversität und Justiz in NRW – Interkulturalität in der Rechtspraxis“. Momentan ermitteln sie bei diesem Pilotprojekt noch den Bedarf für die unterschiedlichen Einsatzgebiete in der Justiz – von der Bewährungshilfe über den Gerichtsvollzug bis hin zur Staatsanwaltschaft, den Gerichten und dem Gefängnisvollzug. Dabei stellt sich die generelle Frage: Wie kann die Justiz zu einer gleichwertigen Kommunikation mit Migranten gelangen, gemessen an Menschen, die die Sprache vollständig beherrschen? Die Resonanz ist geteilt: Während die Bewährungshilfe es sehr begrüßt, auf die Unterstützung zurückgreifen zu können, sind andere Abteilungen bisher noch zurückhaltender. „Unsere Systeme müssen daran angepasst werden: Es braucht einen gleichberechtigten Zugang“, da ist sich Achim Pohlmann sicher.
Indem sie 2002 ein völlig neues Berufsbild schuf, das genau auf Flüchtlinge zugeschnitten ist, ermöglichte dieGenossenschaft esihnen gezielt, auf dem deutschen Arbeitsmarkt schneller Fuß zu fassen und wirkte so der damals erschwerenden Nachrangigkeit entgegen. Die bedeutete nämlich bei der Arbeitsplatzvergabe: „Es muss vorab geschaut werden, ob ein Deutscher, ein EU-Ausländer oder ein anderer Ausländer mit einer Vorrangstellung ein Vorrecht hat. So konnte ein Flüchtling den Arbeitsplatz praktisch nie bekommen“, kritisiert Pohlmann.
Voraussetzungen für die Qualifizierung
Mindestens fünf Jahre muss die sich bewerbende Person in Deutschland sein, gleichzeitig im Leistungsbezug und mit einem Bildungsgutschein vom Jobcenter oder der Arbeitsagentur in der Tasche – das sind die Grundvoraussetzungen, um sich als Sprach- und Integrationsmittler bei der Genossenschaft qualifizieren zu lassen. Warum ein unmittelbarer Bezug zu den Herkunftsländern dabei so wichtig ist, verrät Geschäftsführer Pohlmann: „Systeme aus beiden Perspektiven heraus verstehen und vergleichen zu können und mit sprachlichen Nuancierungen vertraut zu sein, funktioniert tatsächlich nur, wenn man die Erfahrung bereits im eigenen Land gemacht hat.“
Doch nicht jede Person, die sich mit Ämtern, Gesundheitseinrichtungen und Bildungsinstitutionen aus dem eigenen Land auskennt, ist für die eineinhalb-jährige Qualifizierung geeignet: Wer die Rolle als Mittler nicht einhalten kann, eigene Vorstellungen auf die Person, für die gemittelt wird, projiziert oder anderen fachlichen Background mit hineinbringt, hat den Mittlerprozess im Kern nicht verstanden
KOLONIALWAREN - Aktiv im Thema
tearthisdown.com/de | Die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland und das Peng Kollektiv wollen Denkmäler und Straßennamen mit kolonialistischen Bezügen sichtbar machen.
hamburg.de/bkm/strassennamen | Informationen zur Aufarbeitung von Straßennamen mit kolonialistischen und nationalsozialistischen Bezügen in Hamburg.
statista.com/themen/6472/kolonialismus | Statistiken zum Kolonialismus, beispielsweise über „Häufige Straßennamen mit Bezügen zur Kolonialzeit in Deutschland“.
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