Land der ewigen Baustellen? Von BER über Stuttgart 21 bis zur Kölner U-Bahn sorgen infrastrukturelle Großprojekte für Empörung. Zeit- und Kostenpläne werden abenteuerlich überzogen, vor Ort regt sich Widerstand, wenn Anwohner:innen ihre Interessen nicht berücksichtigt sehen. Wer für die Misere jeweils verantwortlich ist, liegt keineswegs auf der Hand: Planung, Beauftragung und Durchführung schließen unzählige Beteiligte ein, darunter interne und externe Berater:innen und Gutachter:innen, auch über Ländergrenzen und wechselnde Regierungen hinweg.
Das ist brisant, weil gigantische Summen öffentlichen Geldes verloren gehen und sich nur mühsamst entwirren lässt, ob alles mit rechten Dingen zugegangen ist, Aufsichts-, Informationspflichten und Verfahrensregeln eingehalten wurden.
Das gilt nicht nur für Bauvorhaben: Die politische und industrielle Verantwortung im Dieselskandal scheint keineswegs abschließend geklärt und immer noch streiten Kund:innen um Schadenersatz. Im Untersuchungsausschuss zur Berateraffäre im Verteidigungsministerium werfen Grüne, Linke und FDP der ehemaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen gar die Vernichtung von Beweismitteln vor. Im Monatsthema SCHLECHT BERATEN gehen wir dem nach.
Unsere Leitartikel fragen, was sich aus dem Debakel um die Leverkusener Rheinbrücke lernen lässt, wie es um die Privilegien der Automobilbranche steht, die im Zuge des Corona-Konjunkturpakets unerwartete Rückschläge hinnehmen musste und welche Konsequenzen aus der Berateraffäre im Verteidigungsministerium gezogen werden.
In unseren Interviews setzt sich der NRW-Fraktionsvorsitzende der Grünen, Arndt Klocke, damit auseinander, wer die politische Verantwortung für die Fehler beim Bau der Rheinbrücke trägt, Marie Klee, Sprecherin des Bündnisses Sand im Getriebe, erläutert, wie sich die Gesellschaft vom Auto unabhängig machen kann und die abrüstungspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Katja Keul, erklärt, wie es zu den Vorgängen im Verteidigungsministerium gekommen ist.
Wir besuchen die Zollstocker Bürgerinitiative in Köln, die mit der Stadt um die Gründung einer sozialen Wohnsiedlung verhandelt, das Bürgerforum Rüttenscheid in Essen, das sich vor Ort für eine Verkehrswende stark macht und den Naturstein-Experten Thomas Lange in Wuppertal, dessen Warnungen um schwere Mängel bei Bauarbeiten am neuen Bahnhof bei der Stadt kein Gehör fanden, sich nun aber als berechtigt herausstellen.
Die Corona-Krise legt schonungslos offen, wie zerbrechlich die Existenzen von Millionen Menschen sind, sogar solcher, die sich selbst zuvor niemals als gefährdet angesehen hätten. Die Armutsfrage ist endgültig in der sogenannten Mitte der Gesellschaft angekommen. Ihre Lösung ist ungewiss – und könnte schmerzhaft werden: Stellt eine Gesellschaft die Armutsfrage, dann stellt sie sich selbst infrage. Dafür ist es offenbar höchste Zeit.
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Glückswochen
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