Die Omma sagte immer: Dat is allet wegen die Atom. Gutes oder schlechtes Wetter, Regen oder Sturm, Hageldellen im Autodach, unfreundliche Nachbarn oder ein schlechtes Spiel des BVB: immer wegen die Atom, wegen die Strahlung und die Knallerei da, vonne Amis oder Russkis oder wem. Natürlich habe ich das geglaubt damals, als Kind in den Achtziger Jahren. Gefüttert mit Tschernobyl-verseuchten Pilzen, spielend zwischen Autos mit Anti-AKW Aufklebern, traumatisiert von Atomgau-Schullektüre wie Pausewangs „Die Wolke“. Und jetzt ist die Katastrophe da – nur ganz anders: Globale Erwärmung, schmelzende Pole, verzweifelt paddelnde Eisbären, Tsunamis. Bilder so übel, dass einem sogar Kernkraftwerke fast sympathisch erscheinen. Aber nur fast, denn ein neues Windrad spart pro investierten Euro drei Mal mehr CO2 ein als ein neuer Reaktor, wie die atomkritische Organisation World Information Service on Energy errechnet haben will.
Fressen kannse nur watte has, sagte Omma immer. Von Ressourcenübernutzung und von Vergiftung der Nahrungsketten hatte sie nie etwas gehört. Bei dem Wort Klimaziel hätte sie nur an eine Reise zur schönen Amalfiküste gedacht. Und Klimagipfel? Machste halt einen Knopf mehr auf am Kittel, wenn‘s der wärmste Tag des Jahres ist. Einem Klimaskeptiker hätte sie einen Schal gestrickt. Aber Schicht im Schacht, das kannte man auch zu ihrer Zeit. Das heißt soviel wie „Pass auf, sonst Du einen auf den Deckel.“ Und genau da sind wir jetzt wieder. Nur dass unser übliches Kopf einziehen leider gerade gar nichts bringt.
Wennse nich mehr kanns, machn Deckel, sagte Omma manchmal. 900 Millionen US$ werden pro Jahr ausgegeben, stand im wissenschaftlichen Journal Climatic Change. Aber nicht für Maßnahmen gegen den Klimawandel, natürlich nicht. Nein, das ist der Etat von Donors Trust, Donors Capital und ähnlichen Gruppen, die zur Finanzierung von mindestens 35 klimaskeptischen Organisationen beitragen – also solchen Verbänden, die der industriellen Gewinnmaximierung zuliebe auf den gesunden Menschenverstand verzichten und in groß angelegten PR-Kampagnen den Klimawandel verleugnen.
In solchen Fällen sagte Omma dann vorzugsweise: Wäre Gott gerecht, tät er noch ne große Überschwemmung schicken. Diesmal ohne Arche. Was ihre Generation erfuhr und was wir trotzdem immer noch lernen müssen: zerstörte Lebensgrundlagen, Gewalt und Krieg für die einen bedeuten am Ende Schaden für alle. Kooperative Lösungen bringen stattdessen allen was Gutes. Also: nicht abgeschottet die Ängste pflegen, sondern gemeinsam über positive Szenarien reden. Wenn sogar die Haie von McKinsey ausrechnen, dass zahlreiche Energieeffizienz-Maßnahmen gleichzeitig einen volkswirtschaftlichen Gewinn abwerfen, ist Holland noch nicht verloren. Aldi-Süd, Telekom, Siemens und knapp 50 weitere Großkonzerne forderten kürzlich, die neue Bundesregierung solle eine Vorreiterrolle in puncto Klimaschutz einnehmen. Selbst Nestlé, von vielen als Inbegriff des Bösen empfunden, zeichnete das Papier mit – natürlich aus geschäftlichem Interesse, aber trotzdem sehen dagegen traditionelle Lobbyverbände wie z.B. der Bundesverband der Deutschen Industrie gerade ziemlich alt aus.
Ressourcenschonende Technik, bewussteres Leben, internationales Denken über den eigenen Tellerrand hinaus, ja selbst die apokalyptischen Computerszenarien: alles, was hilft, weiteren Schaden zu vermeiden, ist allemal preiswerter, als hinterher für Katastrophenhilfe zu sorgen. Das weiß die Forschung, und sogar die Politik begreift es langsam. Nord, Süd, Ost und West, arm oder reich, Täter und Opfer: Nasse Füße haben wir jetzt alle, real oder im übertragenen Sinne. Entweder schwimmen wir zusammen, oder wir saufen zusammen ab. Wieso sollte nicht genau das DER grandiose Arschtritt sein, den wir brauchen, dies alles hier endlich als eine, als unsere gemeinsame Welt zu sehen. Schluss mit die Fisimatenten!
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