Klimawandel, Abholzung, industrielle Übernutzung und Vermüllung belasten die Natur. Anders als Menschen können Ökosysteme und ihre tierischen Bewohner gegen das Leid, das ihnen widerfährt, jedoch keine Anklage erheben. Nichtmenschliche Wesen haben in weiten Teilen der Erde keine Rechte – zumindest noch nicht. Philosoph Tilo Wesche geht bei dem Seminar „Die Rechte der Natur“ auf Basis seines gleichnamigen Buches der Frage nach, inwiefern die Klimakrise den juristischen Blick auf die Natur verändert. Denn Wälder, Flüsse und Tierarten können durchaus als Rechtssubjekte gelten. Ein Beispiel, mit dem Wesche sein Buch einleitet, ist der Whanganui River in Neuseeland. Für die indigenen Maori auf der Insel ist der Fluss nicht nur ein Heiligtum, in dem Ahnengeister leben, sondern auch ein eigenständiges Lebewesen. Die Weltanschauung der Maori steht dabei im Widerspruch zum Eigentumsrecht, das für die Regelung des Fischfangs, des Tourismus und der Wassernutzung notwendig ist – so zumindest die Position der neuseeländischen Regierung. In einem Rechtstreit wurde der Fluss 2017 als juristische Person eingestuft. Der Wasserlauf verfügt somit rechtlich über sich selbst und kann niemandes Eigentum sein. Gewahrt werden seine „Interessen“ durch je einen Vertreter der neuseeländischen Regierung und der Whanganui Iwi, einem Maori-Stamm.
Ökologische Eigenrechte mögen auf den ersten Blick absurd erscheinen, sind aber bereits in circa 200 Fällen weltweit gelebte Rechtspraxis. Anfangs sollten sie vor allem Anwohner:innen vor den Konsequenzen des Rohstoffabbaus schützen, mehr und mehr rückt jedoch die gesamte Ökosphäre in den Vordergrund. „Das wachsende Interesse an ökologischen Rechten erklärt sich natürlich aus den Ökologiekrisen der Gegenwart und der Ratlosigkeit darüber, wie sie sich auf friedliche, sozialverträgliche und stabilisierende Weise bewältigen lassen“, schreibt Wesche. Die ökologischen Eigenrechte sollen dabei, wie Wesche fortfährt, vier Krisen eindämmen: die Erderwärmung, das Artensterben, die Ressourcenerschöpfung und die Globalvermüllung.
Obwohl die Rechte der Natur für den Umweltschutz ein vielversprechendes Konzept bilden, stoßen sie auch auf Widerstände. Ausgebremst wird die Entwicklung im globalen Norden laut Wesche „durch den Eindruck, dass sie mit heutigen Rechtsvorstellungen unvereinbar seien.“ Allerdings ließen sich ökologische Rechte durchaus aus dem existenten Eigentumsrecht ableiten. Wie er zu diesem Schluss kommt, erklärt er am 22. Mai bei seinem Vortrag mit anschließender Publikumsdiskussion in der VHS Dortmund.
Die Rechte der Natur | Mi 22.5. 19 Uhr | VHS Dortmund | www.vhs.dortmund.de
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