„Klimawandel tötet Alpakas“, „Our planet is hotter than young Leo DiCaprio“ und „Abgase an Lobbyisten testen“: ein Meer aus Plakaten, Bannern und Protestgestaltung so weit das Auge reicht. Und aus Regenschirmen. Denn das Wetter ist – wie „Fridays for Future Köln“ auf ihrer Facebook-Seite selbst sagen, „fast so gut wie unsere Klimapolitik“. Trotz unerbittlichen Dauerregens nehmen über 10.000 Menschen an der Demo teil – allein in Köln.
Der 15. März ist die erste globale, gemeinsame Protestaktion der noch jungen Bewegung. In rund 123 Ländern gehen heute Menschen auf die Straße, um für wirklichen Klimaschutz zu demonstrieren. Denn „In der Politik wird überhaupt nichts getan“ und „Es geht um unsere Zukunft“ sind die Parolen, die an diesem Freitagmorgen immer wieder zu hören sind. Die von der heute 16-jährigen Schwedin Greta Thunberg initiierte Bewegung „Fridays for Future“ vereint Forderungen nach Kohlestopp und Solidarität mit Anti-Kapitalismus. Unter dem Banner haben sich zahlreiche Initiativen hier versammelt.
Aber unabhängig von politischer Gesinnung oder Zugehörigkeit zu bestimmten Organisationen geht es ganz allgemein um sie: die jungen Menschen. Diejenigen, die die Folgen des Klimawandels am heftigsten zu spüren bekommen werden. Sie haben die Lethargie der Regierungen satt und wollen Klimaschutz nicht länger „den Profis“ überlassen (wie FDP-Politiker Christian Lindner riet). „Wir wollen nicht mehr nach euren Regeln spielen“, kündigt Rednerin Jana Boltersdorf an. „Denn eure Regeln funktionieren nicht mehr. Sie haben diese Krise erst herbeigeführt.“
Die Jugendlichen wirken entschlossen, sind gut organisiert. Sie haben nicht nur diese Großdemonstration auf die Beine gestellt, sie belehren auch Kritiker der Bewegung eines Besseren: „Sie werfen uns vor, dass wir hier keine Freizeit investieren“, so Aktivist Leander Dieckow. „Dabei sitzen wir teilweise noch bis zwei Uhr nachts an den Vorbereitungen.“
Die ganzen Anschuldigungen wegen „Schuleschwänzen“ seien sowieso absurd, meint auch Angela Bankert von der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft Köln. „Was ihr macht, ist gelebte demokratische Kultur. Und ein Mangel an Lehrkräften sowie deren Überarbeitung führen zu viel mehr Stundenausfall.“ Die politische Elite verhalte sich dilettantisch in Sachen Klimaschutz und sei vielmehr Handlanger von Konzernen und Industrie.
Ein steigender Meeresspiegel, Dürre, Überschwemmung und Flucht – der Klimawandel ist ein komplexes Thema, das verschiedene wissenschaftliche und gesellschaftliche Bereiche streift und sich umso mehr als Schulstoff eignen würde. „In der Schule erfährt man nicht so viel darüber“, bedauern Jan, Paul und Niklas. Sie haben ein Plakat gebastelt und sind heute zum ersten Mal dabei. Die Schule kann aber auch eine wichtige Unterstützung sein: Zahlreiche Jugendliche sind im Rahmen einer Exkursion hier. Und in der Schule werden die Schülerinnen und Schüler auch zum Engagement ermutigt: „Jemand in unserer Klasse hat uns für die Sache begeistert“, berichten Emma, Xinyng und Anna. Nicht mitentscheiden bei Wahlen, die ihre Zukunft betreffen? Die drei sprechen sich entschieden für das Wahlrecht ab 16 Jahren aus. Auf die Frage, ob sie denn überhaupt noch Hoffnung in die aktuelle Politik hätten, antworten sie gleichermaßen mit Zögern und Optimismus: „An manchen Stellen tut sich was. Aber es sind so viele verschiedene Punkte, an denen das nötig ist.“
Viele Räder im System müssen bewegt werden und viele unterschiedliche Gruppierungen stellen sich dieser Herausforderung: Denn die jungen Aktivisten kämpfen Seite an Seite mit Wissenschaftlern, Gewerkschaftlern, Pädagogen und Eltern („Parents for Future“). „Fridays for Future“ richtet sich hauptsächlich an Schüler, Studierende und Azubis, aber die Unterstützung der Erwachsenen ist natürlich trotzdem gewünscht. Und gemeinsam widersetzen sie sich einem weiteren Vorwurf: ohne Inhalte zu sein. Die Redebeiträge sind vielseitig und fundiert. Und Ziele wie die Einhaltung der Pariser Klima-Verträge sind konkret.
„Die Woche über gibt es mehrere Arbeitsgemeinschaften und im Plenum diskutieren wir dann darüber“, berichtet Marvin, der den Protest mit organisiert hat. „Und man lernt eine ganze Menge. Auch wie leicht wir Veränderungen anstoßen können.“ Der junge Klimaschützer ist beeindruckt von der heutigen Teilnehmerzahl.
Über vier Stunden ziehen Menschen durch die Innenstadt, machen Musik, halten Reden. Die Demonstration ist ein buntes, friedliches Ereignis, das sich hoffnungsvoll und energiegeladen gegen die graue Wand aus Regen und politischer Ignoranz stemmt. Es läuft „I Want to Break Free“ von Queen, „Africa“ von Toto. Musik, die Generationen verbindet und Mut macht. Und den braucht es auch. Mut und einen langen Atem, denn wie auch die Veranstalter betonen, ist die Demo heute ein unglaublicher Erfolg. Aber sie reiche nicht, denn bis jetzt habe die Politik nicht gehandelt. Und so werden sie weitermachen. Trotz Drohungen, trotz lähmender Politik, trotz Abi-Stress – denn die Zukunft steht auf dem Spiel.
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