„Schlechte Nachrichten, ambivalente Gefühle“ hieß die Veranstaltung des Wandersalons der Urbanen Künste Ruhr, die im März im Naturmuseum Dortmund aufgezeichnet wurde. Coronabedingt schließlich demokratisch zu sehen bei Youtube. Stargast war das Wetter. Klimatechnisch mutet es schon länger alarmierend an. Und das, obwohl die Natur doch dank Krise ein Jahr pausieren durfte.
Ein passenderer Ort als das Naturmuseum, wo die Umwelt unmittelbar erfahrbar werde, gebe es wohl kaum, meint Aneta Rostkowska, Direktorin des Kölner Kunstvereins Temporary Gallery, die durch den Abend moderiert. Zwei Krisen mit einer Klatsche an einem Abend – mit Gästen aus Kultur, Wissenschaft und Psychologie.
Ari Benjamin Meyers, ein aus New York City stammender Pianist und Komponist, der heute in Berlin lebt, ist als Vertreter der Künste mit an Bord der apokalyptisch anmutenden Reise. Ferner die Psychologin Katharina van Bronswijk, die sich gleichzeitig bei den „Psychologists for Future“ engagiert, einer 2019 gegründeten Bewegung, die tiefenpsychologisch arbeitet und die „Fridays for Future“ unterstützt. Und schließlich der Meteorologe und das Mitglied am Institut für Geophysik an der Uni Köln, Dr. Bernhard Pospichal.
Das Wetter von morgen
So beginnt der Abend mit einem Auszug aus Ari Meyers’ „Forecast“ aus dem Jahr 2020: Ein düster wirkendes, da immer gleich erscheinendes, Spannung erzeugendes, gesprochenes Musikstück, das den Zuhörer bewusst überfordert. Es scheint kein Entkommen zu geben. Die Themen jener musikalischen Wettervorhersage, die der Dirigent sonst mit Bild und Ton auf die Bühne zu bringen pflegt, beruhen auf wahren Geschichten über Gefahren, die vom Wetter ausgehen. Seit er sich mit dem Thema Klimawandel befasse, so Meyers, könne er nicht mehr davon loskommen, habe er sich ihm verschrieben. Die unausweichliche Konfrontation spiegelt sich instrumental wider. Einfache Antworten habe er aber nicht parat, so Meyers, versteht er seine Performance doch als eine gemeinsame Probe mit dem Zuschauer. Die Rolle des Besserwissers möchte er nicht einnehmen. Und: Kunst könne durchaus Zustände produzieren, so der Musiker.
Der Zustand der Unsicherheit prägt auch die Ebene der Wissenschaft – auch wenn dort schon relativ klar prophezeit werden könne, dass die Erderwärmung zunehme, wie Dr. Pospichal erklärt. Damit einher gehen weitere Umweltkatastrophen wie Überflutungen und Dürreperioden, die auch die Ernte massiv bedrohen. Somit erwiesen sich die Prognosen schon jetzt als realistisch.
Vom Persönlichen ins Politische
Gibt es Lösungsansätze, um nicht in eine totale Depression angesichts der eigenen persönlichen sowie der allgemeinen Krise zu verfallen? Psychologin und Klimaaktivistin Katharina van Bronswijk spricht von einem Phänomen der „Climate Anxiety“, durch die Klimakrise hervorgerufene Existenzängste. Eine Welt, in der Menschen seit Beginn der Klimakrise nichts Normales mehr vorfinden, führe zu einer Art Heimweh. Was könnte den Betroffenen helfen? Van Bronswijk sieht Handeln, die eigene Ausweglosigkeit zur kollektiven werden zu lassen, als eine mögliche Gruppen-Therapie. Inklusive einer systematischen Veränderung. Ja, aus der persönlichen eine politische werden zu lassen, sich wieder mehr als Teil der Umwelt zu begreifen.
Nun mag der persönliche Einsatz für die Umwelt mitten in einer Pandemie manchen überfordern. Vielleicht lassen sich aber aus der Krise wiederum Lehren ziehen. Das Dilemma habe etwa aufgezeigt, so van Bronswijk, dass ein kapitalistisches System, in dem Menschen auf bestimmte Weise funktionieren, sich einem bestimmten Wertesystem fügen müssen, nicht unbedingt glücklich macht. Man könne gute Dinge, die es mal gab – etwa wieder mehr zuhause selbst zu schaffen, kreativ zu werden – wieder neu ins Leben rufen.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Wem gehört die Ökosphäre?
Seminar „Die Rechte der Natur“ in der VHS Dortmund – Spezial 05/24
Spaß an der Transformation
Gutes Klima Festival in Essen – Festival 07/23
Glück auf, Digitalisierung!
New Now in Essen – Festival 05/23
„Wir werden uns der Abbagerung in den Weg stellen“
Linda Kastrup über die geplanten Klima-Proteste in Lützerath – Spezial 01/23
Wege aus der Klimakrise
Online-Vortrag für das Eine Welt Zentrum mit Ottmar Edenhofer
Wende sofort
Köln: Students for Future radeln „Ohne Kerosin nach Berlin“ – Spezial 09/20
Brücken besetzen
Extinction Rebellion demonstrierte in Köln – Spezial 07/19
Ab in die Ferien? Ab auf die Straße!
„Klimawandel JETZT“ am 9.7. am Schauspiel Dortmund – Spezial 07/19
Camping fürs Klima
Fridays for Future streikt auf dem Alter Markt in Köln – Spezial 07/19
Keine Jugendbewegung bleiben
Die Fridays for Future-Zentraldemo in Aachen – Spezial 07/19
Nicht nur hinter den Ohren grün
Fridays for Future – internationaler Klima-Protest in Köln – Spezial 03/19
Wichtiger als Schule
„Fridays for Future“ in Bochum – Spezial 03/19
Ehrung für ein Ruhrgebiets-Quartett
Verleihung des Brost-Ruhr-Preises 2024 in Bochum – Spezial 11/24
Klimaschutz = Menschenschutz
„Menschenrechte in der Klimakrise“ in Bochum – Spezial 11/24
Digitalisierung 2.0
Vortrag über KI in der VHS Essen – Spezial 10/24
Minimal bis crossmedial
Rekorde und Trends auf der Spiel Essen – Spezial 10/24
KI, eine monströse Muse
12. Kulturkonferenz Ruhr in Essen – Spezial 09/24
Wurzeln des Rechtsextremismus
Online-Vortrag „Ist die extreme Rechte noch zu stoppen?“ – Spezial 09/24
Stimmen der Betroffenen
Vortrag über Israel und Nahost in Bochum – Spezial 04/24
Außerhalb der Volksgemeinschaft
Vortrag über die Verfolgung homosexueller Männer in der NS-Zeit in Dortmund – Spezial 04/24
„Ruhrgebietsstory, die nicht von Zechen handelt“
Lisa Roy über ihren Debütroman und das soziale Gefälle in der Region – Über Tage 04/24
Unterschiedliche Erzählungen
Vortrag zur Geschichte des Nahostkonflikts in Bochum – Spezial 03/24
„Was im Ruhrgebiet passiert, steht im globalen Zusammenhang“
Die Dokumentarfilmer Ulrike Franke und Michael Loeken über den Strukturwandel – Über Tage 03/24
Geschichte der Ausbeutung
„Wie Europa Afrika unterentwickelte“ im Bochumer Bahnhof Langendreer – Spezial 02/24