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Magische Vororte: das CentrO in Oberhausen
Foto: Sven Siebenmorgen

Bedachtes Einkaufen

23. Februar 2012

Die Shopping-Mall gehört inzwischen in jedes Zentrum. Ist das gut? - THEMA 03/12 SHOPPING MALLS

Während in den vergangenen eiskalten Wochen die Passanten in den Fußgängerzonen schwer vermummt von einem Geschäft zum anderen eilten, flanierten die Besucher der inzwischen zahlreichen Shopping-Malls des Reviers entspannt und zufrieden unter falschen Palmen, vorbei an künstlichen Bachläufen und exotischen Restaurationen, um einzukaufen. Wobei einkaufen wahrscheinlich als Tätigkeitsbeschreibung jenes Unterfangens grob untertrieben ist. Der Erwerb von Konsumgütern wird für viele Menschen immer mehr zum Lebensvollzug. Und hierbei mag das ewige An- und Ausziehen von Mantel, Mütze, Handschuh und Schal etwas hinderlich erscheinen.

Legendärste Spezies der Allwetter-Mall ist das CentrO in Oberhausen. Auf dem Gelände der stillgelegten und weitestgehend planierten Gutehoffnungshütte wurde vor gut 15 Jahren eine der größten Kaufhallen Deutschlands eingeweiht. Mit inzwischen über 200 Geschäften auf einer Fläche von 70.000 m² lockt das Konsum-Eldorado nach eigenen Angaben jährlich etwa 23 Millionen Besucher an. Die Oberhausener Kabarettistin und Regisseurin Gerburg Jahnke brachte es einmal auf den Nenner: „Das CentrO ist die Rache für Venlo“. Tatsächlich sieht man auf den natürlich kostenfreien Parkflächen viele Autos mit gelben Kennzeichen. Während Schnäppchenjäger aus Deutschland in Venlo und Roermond auf die Pirsch gehen, verschlägt es kaufwütige Holländer oft in Oberhausens Neue Mitte. Woanders ist es scheinbar immer schöner einzukaufen.

Bettler, Straßenmusiker und Demonstranten müssen leider draußen bleiben
Ein Blick in die alte Mitte von Oberhausen allerdings offenbart, dass das sozialdemokratische Aushängeschild „Neue Mitte“ verheerende Auswirkungen auf die traditionellen Geschäftsstraßen der Stadt hat. Zwar halten sich einige Familienbetriebe noch. Aber insgesamt dominieren Ein-Euro-Shops, Handy-Shops, Game-Shops und Backshops. Oberhausen, erst seit gut 80 Jahren als gemeinsames Stadtkonstrukt existent, zerfällt in die am Reißbrett erschaffene „Neue Mitte“ und den inzwischen peripheren alten Zentren von Sterkrade, Osterfeld und Alt-Oberhausen. Anders sieht die Entwicklung in anderen Städten des Ruhrgebietes aus. In Essen wurde eines der größten innerstädtischen Shopping-Centers Deutschlands am Limbecker Platz errichtet. Im vergangenen September eröffnete derselbe Betreiber die Thier-Galerie in der City von Dortmund. Seit 2009 bereits gibt es das Forum in Duisburg. Zuvor gab es Pläne, das größte Einkaufszentrum Deutschlands in Duisburg zu errichten. Träger der CentrO-Konkurrenz wäre wie in Essen und Dortmund die ECE gewesen, ein Unternehmen der OTTO-Familie aus Hamburg, die ihr Versandhausimperium durch viele Shopping-Malls in ganz Deutschland erweiterte. Der Coup in Duisburg scheiterte an der lokalen CDU, die das Projekt im Stadtrat kippte. Aber auch an anderen Orten ist die Kultur des jahreszeitlich unabhängigen Flanierens nicht unumstritten. Das Straßenmagazin „bodo“ veröffentlichte vor der Eröffnung der Dortmunder Konsummeile im August bereits den Artikel „Verbietet die Thier-Galerie!“. Hauptkritikpunkt ist den Machern der Zeitung, die von Menschen in schwierigen sozialen Situationen vertrieben wird, das Bettelverbot in den eingefriedeten Glitzerpalästen. Aber auch andere Menschen, die bislang untrennbar zu einer Einkaufsstraße gehörten, müssen leider draußen bleiben. Straßenmusiker wird man in den Arkaden vergeblich finden. Wenn Musik erklingt, dann aus fest installierten Lautsprechern oder von fest engagierten Animateuren. Politische Infostände oder gar Demonstrationen sind ebenfalls in den modernen Einkaufszentren nicht erlaubt. Sogar ein Flohmarktstand von Kindern, ausgebreitet auf einer alten Wolldecke, duldet das Management einer Mall nicht. Sicher kann sich der Konsument allerdings fühlen. Private Ordnungskräfte und intensive Videoüberwachung machen Ladendieben und anderen Kriminellen das Leben schwer. Johannes Caspar, Landesdatenschutzbeauftragter der Stadt Hamburg, klagte allerdings gegen ECE, weil ihm die Überwachung zu weit ging. Ihm konnte nicht plausibel erklärt werden, warum auch der Eingangsbereich von Toiletten von Kameras beobachtet werden muss. In erster Instanz gewann der Datenschützer. Eine endgültige richterliche Entscheidung steht allerdings noch aus. Solange wird weitergefilmt.

Der Dinosaurier unter den Malls ist übrigens der 1964 eröffnete Ruhr-Park in Bochum, der sich allerdings seit vergangenem Jahr häutet. Manche Bereiche des größten Einkaufszentrums Deutschland gleichen zurzeit eher einer Mondlandschaft. Man möchte dem Buttercremetortenmuff durch ein Lifting entgegenwirken. Auch in Bochums Stadtmitte soll übrigens bald ein Einkaufszentrum entstehen. Das jetzige Telekom- und Justizareal soll in diesem Sinne umgebaut werden. Allerdings wollen die Beteiligten ein Fiasko, wie es zum Beispiel in der Schwabenmetropole durch die öffentliche Baumaßnahme „Stuttgart 21“ entstand, vermeiden. Bürger, Einzelhändler und Immobilienbesitzer werden zu Gesprächen an Runden Tischen eingeladen. Man setzt auf Mediation statt auf Konfrontation. Der Wutbürger hat sich im vergangenen Jahr wahrscheinlich genauso viel Respekt verschafft wie der wetterfühlige Konsument.

LUTZ DEBUS

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