Jeder berufstätige Mensch arbeitet nach seinen Möglichkeiten, falls der Job Spaß macht; auch im gehobenen Leistungsbereich. Es gibt aber Jobs, da zählen am Ende nur die Spitzenleistungen. Dem medaillenlosen Olympioniken bleibt immerhin der berühmte Gedanke, dem Opernsänger mit flacher Gesamtleistung nur der Misserfolg. Nirgends wird härter abgeurteilt als im Zuschauerraum der Opernhäuser.
Dazu tragen die Fernsehformate, in denen Singsang-Grünschnäbel auf die Schlachtbank geführt und offiziell lächerlichen Pop-Ikonen-Scharfrichtern zur Volksbelustigung freigegeben werden, auf sadistische Weise bei: Die Schwarzweiß-Juristen kennen wie bei römischen Festspielen nur die zwei Richtungen der Daumenabstimmung. Und die weist im besonders anfälligen Fach des Operntenors seit der Ära der Big Three besonders häufig nach unten.
Wer heute als Tenor die „Turandot“, die berüchtigt grausame chinesische Prinzessin, fürchtet, der hat sein Publikum im Saal noch nicht erlebt. Ein Tenor hat relativ früh den Megahit „Nessun dorma“ vor sich, bei dem das weiße Taschentuch des biggest Big Luciano Pavarotti unsterbliche Bildrequisite wurde und dem ein englischer Handyverkäufer seine Kurzkarriere als „Tenor“ verdankte. Luciano selbst besaß in den letzten Schaffensjahren auf endlosen allerletzten Abschiedstourneen längst nicht mehr die jugendliche Strahlkraft, die seine millionenfach gehörten CD-Botschaften als das Maß aller Dinge aussandten. Aber jeder gut ausgebildete junge und spielfreudige Tenor, der dieses Schlachtross der Arienalben nun auf der Bühne live zum Besten gibt, wird an diesem Ohrwurm gemessen – und wird selbst bei guter Leistung bestenfalls mit einem warmen Applaus belohnt.
2005 erschien dann ein Tenor mit mexikanischem Feuer im Blick und lyrischem Strahl in der Stimme, um die 3 Tenöre abzulösen: Rolando Villazón kochte vor Spielfreude, jeder wollte ihn auf der Bühne haben. Zwei Jahre hielt die Glut, dann kam ein Burn-out. Ein erstes Comeback endete frühzeitig in einer Operation an den Stimmbändern – diese Katastrophen waren diesem sprudelnden Quell positiver Ausstrahlung, Begeisterung für Musik und Menschen und für in Musik überführte ehrliche Emotion von seinen Fans bestimmt nicht gewünscht. Doch sofort traten Fachleute aufs journalistische Parkett, die das alles schon lange gewusst hatten: Falsches, weil zu schweres Fach, zu viele Engagements, unsaubere Technik.
Jetzt dringt der Sonnenschein dieses spielwütigen Bühnen-Clowns auf seiner Reise durch die absoluten Kulturzentren erstmals bis nach Dortmund, wo er Arien des frühen Mozart für ein breites Publikum entdeckt. „Ich halte Mozart für einen großartigen Clown“, erzählt der Tenor mit österreichischen Wurzeln, „und ich meine das positiv: Er bringt nicht nur die Leute zum Lachen, sondern vielmehr zum Träumen!“
Konzerthaus Dortmund | 29.4. 20 Uhr | 0231 22 696 200
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