Ein Stadtteil mit Nazi-Kiez? Mit diesem Image hat der Dortmunder Stadtteil Dorstfeld noch immer zu kämpfen, lange galt er als berüchtigt für eine rechte Szene, die sich hier über Jahre relativ ungestört ausbreiten konnte. „Diesen Mythos wollen wir weiterhin aufbrechen“, sagt Tim Burgemeister, Mitarbeiter im Projekt Quartiersdemokraten, einer Fachstelle für Extremismusprävention und Demokratieförderung. Im Jahr 2011 beschloss der Dortmunder Stadtrat einen lokalen „Aktionsplan gegen Rechtsextremismus“. Aus einer Überarbeitung des Aktionsplans gingen 2017 die Quartiersdemokraten hervor; sie werden von der Stadt und vom Land NRW gefördert.
Auffällig präsent war die rechte Szene am Wilhelmplatz, der lange als Treffpunkt galt. Schleichend hatte sich der Stadtteil zurück entwickelt, war wenig belebt. Es gab immer weniger kulturelle Angebote – auch durch politische Vernachlässigung. „Gerade in den 2000ern haben Politik und Polizei gerne weggeguckt“, so Burgemeister. Heute sei die Zusammenarbeit mit Stadt, Ordnungsamt und Polizei gut.
Druck auf rechte Szene
Am Wilhelmplatz steht heute die Wilma – der Stadtteilladen der Quartiersdemokraten. „Es hat sich sehr viel zum Positiven entwickelt“, so Burgemeister, natürlich nicht allein wegen des Projekts. Der Druck auf die Szene wurde erhöht, führende Köpfe brachen weg oder wanderten in den Osten ab. Auf dem Platz verteilt stehen bunt bemalte Bänke, darauf Sprüche gegen Rechtsextremismus.
2018 sorgten Bilder aus Dortmund bundesweit für Aufsehen. Rund hundert Rechtsextreme liefen ungestört durch die Straßen in Dorstfeld und Marten, sie skandierten antisemitische Parolen. Um dagegen ein Zeichen zu setzen, veranstaltete die Zivilgesellschaft daraufhin auf dem Wilhelmplatz ein Fest für Vielfalt – das bis heute fortgeführt wird: Das von den Quartiersdemokraten initiierte Demokratiefestival findet jährlich statt. Man wolle den Platz demokratisch einnehmen, so Burgemeister.
Seit einem Jahr steht der Stadtteilladen am Wilhelmplatz. Ziel sei es gewesen, sichtbarer zu werden und einen Raum für die Zivilbevölkerung anzubieten. Montags und Dienstags findet hier die offene Tür der Quartiersdemokraten statt, an den anderen Tagen nutzen diverse Gruppen und Projekte die Räume. Anfangs habe es vereinzelte Anfeindungen gegeben, aber insgesamt fühle man sich sehr sicher; obgligatorisch seien Sicherheitskonzepte für alle Veranstaltungen.
Demokratie selbstverständlich
Zu Beginn wurde der Sozialraum von Dorstfeld untersucht. „Die wissenschaftliche Begleitung ist die Grundlage unserer Arbeit“, so Burgemeister. Dorstfeld hat eine sehr gemischte Sozialstruktur, die niedrigen Mieten ziehen viele Studenten an. Auch sei die Zivilgesellschaft immer gut organisiert gewesen, aktuell gebe es über vierzig eingetragene Vereine, so Burgemeister. „Aber eine engagierte Zivilgesellschaft braucht professionelle Unterstützung“.
Einer der kulturellen Schwerpunkte ist mittlerweile die Veranstaltungsreihe „Dorstfeld im Gespräch“, bei der etwa einmal im Monat ein Autor für eine Lesung und anschließende Diskussion zu Gast ist, zuletzt war unter anderem der Schriftsteller Max Czollek vor Ort und diskutierte mit Bürgerinnen und Bürgern.
Den größten Erfolg sieht Burgemeister in der Selbstverständlichkeit, die in den letzten Jahren in Dorstfeld entstanden ist: „Im Vergleich zu früher muss man heute nicht mehr besonders mutig sein, um für seine Überzeugungen von Demokratie und Vielfalt im Stadtteil einzustehen.“
NACH DER DEMOKRATIE - Aktiv im Thema
democracy-international.org/de | Der in Köln ansässige Verein Democracy International vernetzt Menschen, die sich für mehr Demokratie und Mitbestimmung einsetzen.
netzwerk-courage.de | Das Netzwerk für Demokratie und Courage „lebt vom Engagement vieler junger Menschen, die sich für Demokratieförderung und gegen menschenverachtendes Denken einsetzen“.
dwenteignen.de | Die Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen informiert über ihr Anliegen (s.a. Seite 7 in diesem Heft).
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