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Loriot (Vicco von Bülow) auf seiner legendären Fernsehcouch
Foto: Hugo Jehle (Süddeutscher Rundfunk)

Ein Stück deutsche Fernsehgeschichte

23. August 2011

Loriot ist im Alter von 87 Jahren gestorben – Portrait 08/11

Wie kaum ein anderer prägte Loriot, der mit bürgerlichem Namen Bernhard-Victor Christoph-Carl „Vicco“ von Bülow hieß, das Humorverständnis ganzer Generationen von Deutschen. Viele seiner Bonmots und geflügelten Sätze sind im kollektiven Gedächtnis verankert, fast jeder kann etwas aus dem so reichen Œuvre des Meister-Satirikers zitieren. In den 70er und 80er Jahren, als die Popularität des gebürtigen Brandenburgers auf ihrem Höhepunkt angelangt war, erfreute uns Loriot mit seinen sketchhaften Fernsehreihen („Cartoon“, „Loriots Telecabinet“, „Loriot“) und später mit zwei der erfolgreichsten und vermutlich auch witzigsten Kinofilmen der deutschen Nachkriegsgeschichte: „Ödipussi“ und „Pappa ante Portas“. Im Alter von 87 Jahren ist Loriot am 22. August 2011 in Ammerland am Starnberger See an Altersschwäche gestorben.

Bitte sagen Sie jetzt nichts!


In einer Zeit, in der die Deutschen noch für ihre Humorlosigkeit verschrien waren und im Kino biedere Heimat- und Verwechslungslustspiele für klingende Kassen sorgten, revolutionierte Loriot mit seinen vielseitigen Talenten und seiner preußischen Disziplin die Fernsehlandschaft nachhaltig. In einer Mischung aus selbst gezeichneten Cartoons, Sketchen vor Livepublikum und eingespielten Filmszenen präsentierte er in seinen Fernsehreihen ein buntes Sammelsurium an genauen Alltagsbeobachtungen, kritischen Selbstreflexionen der Medienlandschaft und grotesken Überzeichnungen zwischenmenschlicher Absonderlichkeiten, die ihren Platz allzu oft im deutschen Bürgertum hatten. Mit nur wenigen Stichworten wie „Die Nudel“, „Herren im Bad“, „Der Lottogewinner“ oder „Weihnachten bei Familie Hoppenstedt“ dürften bei den meisten Lesern schlagartig Erinnerungen geweckt werden an eine Zeit, in der im Fernsehen noch Platz für niveauvolle Unterhaltung vorhanden war. Loriots Sketche haben auch nach Jahrzehnten noch nichts von ihrer Güte, ihrer Wahrhaftigkeit, ihrer Originalität und ihrer Perfektion verloren. Davon zeugen Sätze wie „Bitte sagen Sie jetzt nichts!“, „Das Bild hängt schief!“, „Ja, wo laufen Sie denn?“ oder „Früher war mehr Lametta“, deren Erwähnung allein schon für ein Lächeln auf den Gesichtern, wenn nicht gar ein herzhaftes Lachen sorgt.

Ich will einfach nur hier sitzen!

Loriots Werke haben etwas gleichermaßen Entwaffnendes wie Universelles, was ihnen eine zeitlose Qualität verleiht. Natürlich hat er in seinen Vignetten auch aktuelle Bezüge eingebaut, hat in seinen Sketchen Zeitgenossen wie Bernhard Grzimek („Die Steinlaus“) oder Peter Merseburger („Panorama“) parodiert, die man aber nicht mehr kennen muss, um die entsprechenden Karikaturen auch heute noch goutieren zu können. Im Vordergrund standen bei Loriot die menschlichen Makel und Verfehlungen, mit denen sich jeder identifizieren konnte – und mit denen man sich auch heute noch identifizieren kann. Wenn man nach seinem Feierabend „einfach nur hier sitzen will“ und einen die Vorschläge der werten Gattin sukzessive in den Wahnsinn treiben, wenn das freundschaftliche Abendessen im Restaurant angesichts des einzigen verbleibenden Desserts, eines Kosakenzipfels, in der Katastrophe endet, oder wenn man nach der Bescherung den Weihnachtsbaum vor lauter Kartonresten und Geschenkpapier nicht mehr sieht, dann kann man sich mit diesen Bildern losgelöst von Raum und Zeit identifizieren.

Mein Name ist Lohse und ich kaufe hier ein!

Erst sehr spät gelang es dem Starproduzenten Horst Wendlandt, Vicco von Bülow dazu zu bewegen, sein Talent auch auf der großen Leinwand auszuspielen. Zwar hatte Loriot in den 50er und 60er Jahren als Statist oder in kleineren Nebenrollen schon in Kinofilmen mitgewirkt („Der längste Tag“, „Das Wunder des Malachias“), aber erst mit 64 Jahren drehte er mit „Ödipussi“ 1987 seinen ersten Spielfilm in Eigenregie. Die Geschichte eines alten Muttersöhnchens, das an eine verklemmte Psychologin (Loriots Dauersketchpartnerin Evelyn Hamann) gerät, wurde zu einem sensationellen Kritiker- und Publikumserfolg. Auch der drei Jahre später entstandene „Pappa ante Portas“ schrieb die Erfolgsgeschichte Loriots in den deutschen Lichtspielhäusern fort. Das Thema: Die Pensionierung des ehemaligen Managers Heinrich Lohse, der mit seiner permanenten Anwesenheit in den eigenen vier Wänden seine Ehefrau an den Rand des Nervenzusammenbruchs bringt. „Männer und Frauen passen einfach nicht zusammen“ – ein weiteres Bonmot Loriots, das er in unzähligen Sketchen und Cartoons wirkungsvoll auf den Punkt brachte. Durch sein herausragendes Werk für Fernsehen und Film wird er auch kommende Generationen noch als Meister des Humors und der treffsicheren Beobachtung zum reflektierten Lachen bringen.

FRANK BRENNER

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