Das Kino im U in Dortmund, in dem vergangenes Jahr das internationale Festival ausgetragen wurde, zeigte vom 19.-22.4. sechs Filme aus unterschiedlichen Sektionen. Dazu waren auch einige Gäste geladen, die im Anschluss jeweils Gespräche oder Diskussionen anboten.
Am 21.4. liefen zwei Filme: „17 filles“ und „Spanien“. „17 filles“, der Film der Schwestern Coulin, handelt von jungen Frauen in einer etwas tristen bretonischen Stadt. Von der Lebenseinstellung der Generation über ihnen sind sie wenig begeistert, vielmehr fühlen sie sich von Eltern und Lehrern im Stich gelassen. Daher beschließen sie, einen gänzlich anderen Weg einzuschlagen. Doch statt zur Revolution entscheiden sie sich für eine Kollektivschwangerschaft. Der Film, der in Köln im Internationalen Spielfilmwettbewerb eine lobende Erwähnung erhielt, stieß auch in Dortmund auf großen Anklang. Die zahlreich erschienenen Zuschauer folgten gebannt dem, was zunächst witzig klang, sich dann jedoch dramatisch entwickelte. Aber der Abend sollte noch spannender werden. In die Innenstadt zogen immer mehr Fans, die vor den Leinwänden der vielen Kneipen verfolgten, ob der BVB gegen Gladbach die Meisterschaft entschied. Diesem Fakt war es offensichtlich auch geschuldet, dass das folgende Drama „Spanien“ der Regisseurin Anja Salomonowitz weniger Zuschauer als „17 filles“ vor die Leinwand in dem alten Brauereigebäude zog. Emotional hoch her ging es an beiden Schauplätzen. Der in seiner Ehe gescheiterte Polizist Albert schnüffelte gerade in einer binationalen Ehe herum, als der Japaner Shinji Kagawa für Borussia Dortmund das 2:0 schoss, die Meisterschaft so gut wie sicher machte und ausgelassen Trainer Jürgen Klopp an den Hals sprang. Zu derartigem Freudentaumel hatten die Protagonisten in „Spanien“ weniger Anlass. Der umherreisende Sava wacht nach einem Unfall nicht in seinem Traumland Spanien auf, sondern in Österreich. Die Restauratorin Magdalena, die den Ikonen besonders ausdrucksstarke Augen verleiht, wird von ihrem Exmann Albert belästigt. Der wiederum versucht als Polizist der Einwanderungsbehörde weniger Scheinehen aufzudecken, als vielmehr verzweifelt die richtigen Worte zu finden, mit denen man sich der Liebe einer Frau versichert. Der junge Familienvater Gabriel ist der Spielsucht verfallen und gerät wegen Geldmangels an ein zwielichtiges Finanzinstitut. Regisseurin Salomonowitz verfolgt die Einzelschicksale unaufgeregt in ruhigen Bildern, auf wundersame Weise sind die verschiedenen Leben miteinander verknüpft. So wundersam, dass die Zuschauer nach Ende des Films einen Moment lang verdutzt dasaßen und sich vor der Tür des Kinosaals zusammenfanden, um über die Bedeutung einzelner Szenen und ihre Chronologie zu rätseln und nachzusinnen.
Ging das Publikum nun noch völlig unter dem Eindruck dieses absolut lohnenswerten Dramas hinaus, stieß es bald auf feiernde Fans, die sich über Zweideutigkeiten keine Gedanken zu machen brauchten, denn der BVB war eindeutig Deutscher Meister geworden. Der Ring war zugestopft mit Autos, überall lautes Gehupe, Fangesänge und schwarz-gelbe Fahnen. Auch in der Fußgängerzone waren die vorherrschenden Farben Schwarz und Gelb. Auf dem Friedensplatz und dem Alten Markt fand eine riesige Party statt, die natürlich auch dem Regen trotzte. Die schönsten Geschichten schreibt sicherlich das Leben, die Filme des Frauenfilmfestivals aber gewiss auch keine schlechten.
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