Dortmund, 11. April – Im Fokus des Internationalen Frauenfilmfestivals, das in diesem Jahr in Köln stattfand, standen türkische Filmschaffende. In Dortmund war in Kooperation mit dem Türkischen Filmfest Ruhr eine Auswahl des breit aufgestellten türkischen Films zu sehen.Die Regisseurin Denis Akçai stellte im Kino im U ihren Film „Köksüz – Nobody's Home“ persönlich vor, sprach über ihren beruflichen Werdegang, die Intention ihres Films und ihre Inputs.
Das Drama „Nobody's Home“ erzählt die Geschichte einer Familie, die sich verliert nach dem Verlust ihres Vaters respektive Ehemanns. Die Mutter ist depressiv, ängstlich, gleichzeitig aber herrisch und einnehmend. Ihrer ältesten Tochter fällt die Aufgabe zu, die Familie finanziell zu versorgen, den Familienalltag zu organisieren, für ihre weitaus jüngeren Geschwister da zu sein. Dabei gibt sie pflichtbewusst ihre eigenen Freiheiten und Wünsche auf. Ihr Bruder fühlt sich der neuen Situation nicht gewachsen und kann die Position des einzigen Manns der Familie mit ihren Aufgaben, wie seine Großmutter sie sieht, nicht einnehmen. Stattdessen flüchtet er sich ins Nichtstun, Kiffen und eine verzweifelte Affäre mit der Mutter seines besten Freundes. Die Kleinste wünscht sich eine „normal“ funktionierende Familie und versucht diesen Anschein durch ihr Handeln bewirken. Doch auch sie kann sich letztendlich der Tatsache nicht verwehren, dass ihre Familie gebrochen ist. Denis Akçai füllte den porträtierten Mikrokosmos einer dysfunktionalen Familie mit feinen Charakterzeichnungen und weiß so das größtenteils türkischsprachige Publikum im Dortmunder U zu begeistern.
Im anschließenden Filmgespräch auf Türkisch und Deutsch erzählte Denis Akçai, dass ihre Freunde sehr überrascht waren, ein so leises, nachdenkliches Regiedebut von ihr zu sehen. Bislang hatte sie nach ihrem Abschluss an der Filmhochschule kleinere Scripte für das türkische Fernsehen geschrieben, hauptsächlich im komödiantischen Bereich. Ihre Freunde hatten sie verstärkt ermuntert, einen eigenen Langfilm zu drehen, hatte sie sich bis dahin doch ein solch großes Projekt nicht zugetraut. Ihre ursprüngliche Idee sei gewesen, dieses erste große Projekt ebenfalls im Bereich der Komödie umzusetzen, vorzugsweise eine schwarze Komödie. Doch wurde für sie mit der Zeit das Thema einer Familie ohne Vaterfigur immer interessanter. Der Film sei zwar nicht autobiographisch, doch auch sie selbst habe in ihrer Jugend den Vater verloren und dabei erlebt, wie sehr dieser Verlust die Familienstrukturen veränderte.
Ein wenig irritierte das Publikum dieses doch sehr klassisch gehaltene Familienbild und fragte sich, ob Akçai mit diesem Film das Bild einer unselbständigen türkischen Frau dokumentieren wollte. Doch Akçai wehrte sich dagegen.Die Frauenfiguren im Film seien nicht symbolisch für die türkische Frau im Allgemeinen zu sehen, die Geschichte solle nicht überinterpretiert werden. Sie wolle lediglich einen speziellen Fall einer zerrütteten Familie erzählen. Sie selbst sehe das Problem der Mutter in ihrem Film vielmehr in der sehr starken Figur ihrer eigenen Mutter, die bestimmend auf sie einwirkt. Individuelle Interpretationen lasse jedoch das offene Ende zu, dass sie aus diesem Grund bewusst so eingesetzt habe.
Für sich selbst befand Akçai, dass der Filmdreh sehr viel ihrer Energie gekostet habe und im Aufwand in keinem Verhältnis zu ihrer vorherigen Arbeit beim Fernsehen stehe. Doch vielleicht drehe sie ja noch einmal eine schwarze Komödie. Zunächst aber sei sie erst einmal weiter mit ihrem Regiedebut auf Festivals unterwegs, z.B. in Tokyo, Istanbul und Haifa, und freue sich dass ihre Arbeit überwiegend positiv aufgenommen worden ist.
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