Wir müssen über Frauen reden. Und schon haben die ersten keinen Bock mehr und denken sich genervt: „Ist nicht langsam mal gut?“ Schön wär‘s. Doch nicht zuletzt das Thema „Frauenleben“ der letzten trailer-Ausgabe zeigt, wie viel noch im Argen liegt. Wir müssen dazu nicht einmal nach Saudi-Arabien, Iran oder Somalia schauen, obwohl dies natürlich nicht aus unserem Blickfeld verschwinden darf. Auch wenn die Themen in Deutschland bzw. in der westlich geprägten Kultur andere sind und marginal erscheinen, heißt das nicht, dass wir hier vor Ort nicht die Mängel bei der Gleichstellung und Gleichberechtigung sowie Sexismen benennen dürfen. Wenn wir uns die Berufswelt vornehmen, müssen wir uns nicht nur auf die oberen Eintausend und die Aufsichtsräte konzentrieren, sondern uns vielmehr ganz profan fragen, warum so viele alleinerziehende Mütter an der oder unterhalb der Armutsgrenze leben. Warum ist es noch immer eine so große Herausforderung für Frauen, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren? Warum dürfen sich so selten Männer um ihre Kinder kümmern wollen? Warum verdienen Menschen in „Frauenberufen“ wie Erziehung weniger als Menschen in „Männerberufen“ wie Schornsteinfegen? Und es gibt sie natürlich noch immer – die sexistisch motivierten Übergriffe auf Frauen.
Aber all das betrifft ja die ach so progressive Kunst und Kultur nicht. Oder? Wie oft werden Werke von Künstlerinnen anders bewertet als die ihrer männlichen Kollegen? Wie oft werden sie selbst anders beurteilt? Wie oft werden sie übergangen? Warum finden Schauspielerinnen nach 35 kaum noch Jobs an Theatern oder im Film, weil ihre Rollen mit Jüngeren besetzt werden? Warum werden so selten Frauen in den Oscar-Kategorien nominiert? Warum gibt es so wenige Frauen hinter der Kamera? Und wie oft werden Filme von Frauen mit kritisch abfälligen Worten wie „War ja klar, ist ja auch von ‘ner Frau“ bedacht? Wann haben diese Personen so über einen mittelmäßigen Tatort von einem Mann geurteilt? Und nein, das Argument, dass es Frauen in dieser Branche einfach nicht gibt, stimmt immer noch nicht. Während der Filmausbildung sind sie noch zur Hälfte vertreten. Doch nach dem Debütfilm werden sie kaum mit Filmförderung bedacht, werden ihnen kaum Fernsehfilme angeboten.
Daher sind leider noch immer Initiativen wie Pro Quote Regie notwendig. Niemand möchte wirklich die Quote. Niemand möchte eine Extrawurst. Doch wer von der Schnitzelparade ausgeschlossen wird, muss auf die Extrawurst bestehen. Dabei führt die Quote nicht zur Qualitätsminderung in der Film- und Kinowelt, vielmehr bereichert sie diese um Werke, die andernfalls von vorneherein nicht berücksichtigt worden wären. Die Qualität ist schließlich da. Dies zeigt auch wieder das Internationale Frauenfilmfestival, das vom 19. bis 24. April in Köln stattfindet. Auch in der Festivalpartnerstadt Dortmund ist eine Auswahl der unglaublich breit aufgestellten Werke von Filmemacherinnen zu sehen. Denn wer ist überhaupt auf die Idee gekommen, dass Frauen nur Filme über „Frauenthemen“ machen können?
Wenn wir nun also ins Kino gehen, sollten wir uns kritisch selbst hinterfragen, ob wir nicht auch Filme von Frauen anders bewerten, eben nur weil sie Filme von Frauen sind. Wir sollten die Filme einfach und allein für sich sprechen lassen. Und darauf setzen, dass bald keine Extrawurst notwendig ist und stattdessen alle zusammen Schnitzel essen. Meinetwegen auch vegane.
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