Es gibt Kabarettisten, die genau wissen, wo es lang geht und damit auch nicht hinterm Berg halten, andere haben sich gnadenlose Abrechnungen auf die Fahne geschrieben und alle – also wirklich alle – wollen ihr Publikum unterhalten. Sogar so astreine Polit-Stänkerer wie Matthias Beltz – gotthabihnselig – oder Heinrich Pachl, der seinerzeit versucht hat, Köln von korrupten Politikern zu befreien – vorübergehend mit Erfolg sogar – haben ihre vornehmste Aufgabe darin gesehen, die Zuschauer und -hörer zu amüsieren. Dann gibt es die Riesenschar an Witzbolden auf der Suche nach einem eigenen, unverwechselbaren Profil und gestandene Frauen wie die aus Potsdam angereiste Barbara Kuster, deren umwerfendes Organ regelmäßig die Wände erzittern lässt: „Viva Walküre“ heißt ihr Programm, mit dem sie am 28.10. im Duisburger Kleinkunsttheater „Die Säule“ aufräumt.
Ihrem Motto getreu „Was du heute kannst entkorken, das verschiebe nicht auf morgen“ öffnet die große Blonde mit der starken Stimme eine Flasche Wein – und legt los mit ihrem Parforceritt durch die Irrungen und Wirrungen des menschlichen Daseins. Wobei Frau Kuster vorgesorgt hat: In ihrem Keller ist ein Raum mit Blattgold ausgeschlagen, um die angehäuften Reichtümer gebührend unterzubringen. Während sie des Morgens ihren Cappuccino schlürft, gedenkt sie all jener, die um diese Zeit in ihrem Hamsterrädchen strampeln. Nicht mit ihr, der freien Radikalen unter den satirischen Lästerzungen. Als Frau im besten Alter und mit stahlhartem Beckenboden ausgestattet, hat sie in der Vergangenheit einiges gelernt. Sie weiß inzwischen, wie schnell man sein Augenlicht und seinen Golfball verliert.
Entspannung für alle, könnte das Programm auch heißen. Weil sie mit einer feinen Dosis an fröhlicher Frivolität aus dem Nähkästchen plaudert. Natürlich überhöht, wie es ihr Metier und die Kabarettgewerkschaft erfordern. Da ist ihr angetrauter J.R., ein engagierter SPD-Politiker, der nun in Rente ist und eine Scheren-Phobie entwickelt hat („Die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander“). Wenn er nicht gerade das Laub im Garten aufschichtet, sitzt er am Fenster und denkt über die Gerechtigkeit nach („diese muss von oben angeordnet werden“). Das nennt man Ruhestand. Sie selbst macht sich eher Gedanken über die braune Kartoffelmafia namens Pegida („Kartoffeln statt Döner“) und sehnt sich hin und wieder danach, berührt zu werden. Stichwort: zuwendungsfrei („Ich kann ja nicht immer zum Kölner Hauptbahnhof fahren“).
Eine ihrer beiden Töchter ist ihre Agentin – das entspricht der Realität – und verdient Unsummen mit ihr – das entspricht vermutlich nicht ganz der Realität. Aus der Fassung kann sie das Müllabfuhr-Prozedere bringen, der Weltkatzentag oder ein Dachdecker, der sie mit „liebe gute Frau“ anredet. Dabei sind es diesmal die – weitgehend selbst geschriebenen und komponierten Songs, in die die ehemalige Rocksängerin ihre überbordenden Emotionen legt, Kampflieder, wie das für alle verlassenen Frauen dieser Welt („wo du hintrittst, soll ein Haufen sein....“) oder ein geräuschvoller Song vom Wald, in dem Käuzchen und Krähen hausen. Sie zieht mit ihrer modulationsfähigen Stimme sämtliche Register und trifft damit ins Herz ihrer Zuhörer. Ganz so, wie es sich für eine Walküre gehört: strahlend, kraftvoll und total entspannt. Verspricht hoch und heilig Ihre stets über Tage lebende
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