Ganz zauberhaft, dieser Zauberkasten, in dem man Kindergeburtstage feiern und ungewöhnliche Künstler erleben und entdecken kann. Am 19.1. zum Beispiel Tanja Haller mit ihrem musikalischen Polit-Kabarett-Programm „Glaube Liebe Hoffnung – Inhalte überwinden“, das sie zusammen mit dem Gitarristen Gernot Sommer präsentiert. Wobei die fulminante Schauspielerin mit dem richtigen Gespür für perfektes Timing warnt: „Obacht!“ – was das Überwinden von Inhalten angeht – „Solch negative Sicht führt zu Furunkeln, Amnesie und Übergewicht“.
Unter der Regie von Thomas Köller („Stunksitzung“) ist ein Abend entstanden, der es in sich hat. „Hömma, Tommy“, maunzt Tanja Haller den deutschen Innenminister Thomas de Maizière an, „wenn wir über Kenntnisse der deutschen Kultur reden, dann sollten wir nicht bei den Ausländern, sondern bei den tumben deutschen Neonazis anfangen. Die meisten rechtsradikalen Glatzköpfe halten doch Schiller für ein Getränk, Tannhäuser für eine Reihenhaussiedlung und Goethe für 'ne ostpreußische Währung. Wenn Du so einem Glatzkopf sagst, er soll den Genitiv von Wolle deklinieren… – dann geht der raus und vergewaltigt ein Schaf!“
„Stellt euch mal vor“, animiert Haller überdies die Fantasie ihrer Zuschauer, „Außerirdische würden zu uns kommen, um herauszukriegen, wer die Herrscher auf unserem Planeten sind. Die würden doch nie im Leben auf uns Menschen kommen! Die würden sagen: Herrscher auf der Erde sind die Öltrinker! Viereckige Blechkisten auf Gummirädern, die sich zweibeinige Sklaven halten, die sie mit ihrer flüssigen Nahrung versorgen, die sie putzen und waschen, ihnen riesige Flächen bauen, wo sie rumstehen können. Die sogar Kriege führen, wenn die Nahrung für sie knapp wird. Das würden Außerirdische denken.“ Stimmt genau.
Weiter geht es mit bohrenden Fragen nach einer gerechten Verteilung von Gütern: „Wieso hat eine Handvoll Leute zehn Yachten und ich hab bloß den Freischwimmer?“ will Haller wissen, ohne eine Antwort zu bekommen. Statt weiter zu jammern erhebt sie ihre wundervolle Mezzosopran-Stimme und singt: „Hummer und Austern, die sind mir ein Graus,/ich ess viel lieber Bouletten zuhaus;/ hasse Chinchilla und liebe Chichi:/ Ich glaub, 'ne Dame werd ich nie.“
Wetten, dass sogar Hildegard (Hildchen) Knef begeistert zugehört hätte. Schade, sehr schade, dass das nicht mehr möglich ist, zumindest nicht auf dieser Welt – und eine andere steht derzeit ja leider nicht zur Verfügung, da können wir einen never-ending Optimierungs-Wettkampf nach dem anderen anzetteln. Hilft alles nichts. Stattdessen, nichts wie hin in den schnuckeligen Zauberkasten und Haller/Sommer gucken – rät zumindest nachdrücklich die stets über Tage lebende
Tanja Haller: „Glaube Liebe Hoffnung – Inhalte überwinden“ | Fr 19.1. 20 Uhr | Zauberkasten, Bochum | www.zauberkasten.de
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