Freiheit ist ein Grundrecht. Erstmals international festgeschrieben wurden die Freiheitsrechte in der Erklärung der Menschenrechte im Jahr 1948. Gerade in Deutschland bezeichnen einer Umfrage zufolge 32% der Befragten die Freiheit des Einzelnen als einen wichtigen sozialen und politischen Wert. Laut der Studie „Freiheit in der Welt 2016“, die von Freedom House jährlich durchgeführt wird, gilt Deutschland als freies Land.
Betrachtet man den Freiheitsbegriff philosophisch, so betrifft er fast alle Bereiche des menschlichen Lebens. Grundlegend lässt sich Freiheit aber so beschreiben: Sie bedeutet die Autonomie eines handelnden Subjekts, das heißt, dass eben dieses Subjekt frei, also ohne Zwang, zwischen verschiedenen Möglichkeiten auswählen kann. Fast jeder Deutsche heutzutage würde sich dieser Definition nach als grundsätzlich frei verstehen. Die Handlung selbst gilt als frei, wenn sie dem Willen des Subjekts entspricht. Ob der Wille selbst tatsächlich frei ist, oder durch Naturgesetze und andere äußere Umstände beeinflusst wird, ist die grundsätzliche Frage einer anhaltenden Debatte zwischen Geistes- und Naturwissenschaftlern um die Willensfreiheit. Doch sind wir eigentlich so frei wie wir glauben?
Die Philosophie unterscheidet negative und positive Freiheit. Die negative oder auch „Freiheit von etwas“ besteht, wenn der Mensch sich befreit, es keine äußeren Zwänge oder Einschränkungen gibt, die den Menschen von etwas abhalten. Besteht die negative Freiheit, so kann der Mensch zwischen unterschiedlichen Optionen wählen und handeln. Positive Freiheit, oder die „Freiheit zu etwas“, heißt gleichzeitig Aktion, sie tritt dann ein, wenn das Subjekt tatsächlich eine dieser Möglichkeiten in die Tat umsetzt und so autonom seine Freiheit gestaltet. Doch frei von Zwängen zu leben und entscheiden zu können heißt nicht, dass wir tun und lassen können was wir wollen. Denn das würde unweigerlich in die Anarchie führen. Artikel Zwei des Grundgesetzes bezieht sich unter anderem auf die Freiheit der Person. „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt“. Dieser Satz zeigt, dass Freiheit Beschränkungen hat. Zum einen, dass neben der eigenen Freiheit weitere Freiheiten bestehen, nämlich die der anderen, die nicht verletzt und beschnitten werden dürfen. Zweitens darf ich nur innerhalb gesetzlicher Rahmen und bestimmter Normen, Werte und moralischer Verbindlichkeiten frei sein, möchte ich nicht, dass mein Tun sanktioniert wird. Wer nackt im Supermarkt einkaufen geht, muss sich nicht wundern, wenn er verhaftet wird. Es gibt also Grenzen. Werden diese Grenzen tatsächlich als Einschränkung der Freiheit verstanden, oder kann es durch eben diese Grenzen Freiheit überhaupt erst geben? Fest steht, dass es grenzenlose Freiheit wohl nicht gibt. Dennoch fühlen wir uns innerhalb dieser Grenzen frei.
In Deutschland hat jeder Mensch die Freiheit, sich zu informieren, zur informationellen Selbstbestimmung. Das Internet gibt uns Zugang zu fast jeder Information und hat damit zu einer Demokratisierung des Wissens geführt. Doch diese Freiheit bringt wiederum Gefahren, denn sie gilt im Netz nicht nur für den gesetzestreuen Bürger, sondern auch für den, der schlechte Absichten hegt. Spätestens nach den Enthüllungen Edward Snowdens 2013 über die Abhör- und Spionagetätigkeiten von westlichen Geheimdiensten, konnte von Freiheit im Internet keine Rede mehr sein. Die Angst vor Terror oder Cyberkriminalität hat dazu geführt, dass persönliche Daten von fast jedem erfasst und auf Vorrat gespeichert werden können. Wir sind im Netz also nur scheinbar frei. Auch was unseren Alltag betrifft, können unsere Entscheidungen nur begrenzt frei sein. Steht man im Supermarkt, hat man ein scheinbar grenzenloses Angebot von Produkten, aus dem wir frei wählen können. Aber auch in diesem Bereich werden wir beeinflusst. Werbung, die uns das beste und neuste Produkt anpreist und ein gewisser gesellschaftlicher Druck färben auf unsere Entscheidungen ab. Hinzu kommt, dass es inzwischen nicht mehr allein um die Möglichkeit geht, sich entscheiden zu können, sondern vielmehr darum, sich bei aller Vielfalt entscheiden zu müssen, was mit dem eigentlichen Sinn von Freiheit nicht richtig zusammenpasst. Die Freiheit, die wir erleben und leben, ist also keine völlige Freiheit, sondern eine, die Grenzen und Beschränkungen hat, innerhalb derer der Mensch frei entscheiden und handeln kann. Paradoxer Weise scheint es so zu sein, dass wir gewisse Freiheiten einschränken müssen, um letztlich frei sein zu können. Freiheit kann also ziemlich unfrei machen.
Lesen Sie weitere Artikel
zum Thema auch unter: choices.de/thema und engels-kultur.de/thema
Aktiv im Thema
www.philosophieverstaendlich.de | Das Projekt will ein breites Publikum über den Stand der philosophischen Diskussion informieren
www.freedomhouse.org | internationale NGO die weltweit liberale Demokratien fördert und vor allem durch ihre jährlichen Berichte „Freedom in the World“ und „Freedom of the Press“ bekannt ist (auf Englisch)
Thema im August: GLEICHHEIT – Gerechtigkeit für alle: geht das überhaupt?
Solidarität mit wem und wofür? Was finden Sie gerecht? Schreiben Sie uns unter meinung@trailer-ruhr.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Mehr Mut
Bei den 31. Teddy Awards auf der Berlinale ging es um Toleranz – Festival 02/17
Zeigen, was man verstanden hat
„Die Schwarze Flotte“ am Schauspiel Dortmund – Auftritt 11/16
„Freiheit ist eine Illusion“
Psychologe Hans J. Markowitsch über die Unfreiheit des menschlichen Willens – Thema 07/16 Freiheit
Frei sein von Frei-vons
Wie wir uns von der Befreiung befreien können – Thema 07/16 Freiheit
Werben fürs Sterben
Teil 1: Leitartikel – Zum Deal zwischen Borussia Dortmund und Rheinmetall
Es sind bloß Spiele
Teil 2: Leitartikel – Videospiele können überwältigen. Wir sind ihnen aber nicht ausgeliefert.
Das Spiel mit der Metapher
Teil 3: Leitartikel – Was uns Brettspiele übers Leben verraten
Europäische Verheißung
Teil 1: Leitartikel – Auf der Suche nach Europa in Georgien
Demokratischer Bettvorleger
Teil 2: Leitartikel – Warum das EU-Parlament kaum etwas zu sagen hat
Paradigmenwechsel oder Papiertiger?
Teil 3: Leitartikel – Das EU-Lieferkettengesetz macht vieles gut. Zweifel bleiben.
Vom Mythos zur Mülldeponie
Teil 1: Leitartikel – Wie der Mensch das Meer unterwarf
Friede den Ozeanen
Teil 2: Leitartikel – Meeresschutz vor dem Durchbruch?
Stimmen des Untergangs
Teil 3: Leitartikel – Allen internationalen Vereinbarungen zum Trotz: Unsere Lebensweise vernichtet Lebensgrundlagen
Der andere Grusel
Teil 1: Leitartikel – Von der rätselhaften Faszination an True Crime
Zu Staatsfeinden erklärt
Teil 2: Leitartikel – Der Streit über Jugendgewalt ist rassistisch aufgeladen
Maßgeschneiderte Hilfe
Teil 3: Leitartikel – Gegen häusliche Gewalt braucht es mehr als politische Programme
Wildern oder auswildern
Teil 1: Leitartikel – Der Mensch und das Wildtier
Die Masse macht’s nicht mehr
Teil 2: Leitartikel – Tierhaltung zwischen Interessen und Idealen
Sehr alte Freunde
Teil 3: Leitartikel – Warum der Hund zum Menschen gehört
Von leisen Küssen zu lauten Fehltritten
Teil 1: Leitartikel – Offene Beziehungen: Freiheit oder Flucht vor der Monogamie?
Durch dick und dünn
Teil 2: Leitartikel – Warum zum guten Leben gute Freunde gehören
Pippis Leserinnen
Teil 3: Leitartikel – Zum Gerangel um moderne Lebensgemeinschaften
Verfassungsbruch im Steuer-Eldorado
Teil 1: Leitartikel – Die Reichsten tragen hierzulande besonders wenig zum Gemeinwohl bei
Sinnvolle Zeiten
Teil 2: Leitartikel – Wie Arbeit das Leben bereichern kann
Über irrelevante Systemrelevante
Teil 3: Leitartikel – Wie Politik und Gesellschaft der Gerechtigkeitsfrage ausweichen