Man kann dem Kino von heute vieles vorwerfen. Ständig sehen wir alte Bekannte in Form von Remakes, Reboots, Sequels oder anderen Verfilmungen, die an alte Filmkult-Universen anknüpfen. Fantasy-Bestseller werden gleich in mehrere Filme aufgeteilt, die uns dann Jahre begleiten. Das hat mal Peter Jackson mit „Herr der Ringe“ massentauglich vorgemacht. Alleine in den kommenden fünf Wochen treffen wir mit „Godzilla 2“, „X-Men“ und „Spider-Man“ gleich drei alte Bekannte, die im Film schon ordentlich beackert wurden. Darf man also fragen, ob dem Kino im Jahr 2019 kein neuer Stoff mehr einfällt und die Traumfabrik von der Wiederholung zehrt, wenn man an die großen Kultfilme der 1980er und 90er Jahre von Spielberg, Cameron und Co denkt? Man darf.
Vielleicht ist aber genau der Trend, der uns manchmal wie das schale Aufwärmen alter Hüte vorkommt, etwas, das in ein bis zwei Jahrzehnten als charakteristisch und vielleicht so auch als wertvoll für den Blockbusterfilm der 2010er Jahre in Erinnerung bleiben wird. Wenn wir Film immer noch als kulturelles und künstlerisches Produkt verstehen, dann ist es in den Zeiten vielleicht auch völlig legitim, dass die Filmbranche im 21. Jahrhundert voll beladen mit Verweisen und Bezügen aus der Popkultur des vergangenen Jahrhunderts unterwegs ist. Die Bildende Kunst und die Literatur steht Hollywood da in nichts nach. Schließlich entsteht jede Idee immer im Bezug zu dem bereits Dagewesenen und ist nie losgelöst von dem, was Drehbuchautoren, Regisseure, Produzenten und ihr Publikum gemeinsam im kulturellen Gedächtnis gespeichert haben.
Seit nunmehr zehn Jahren wartet das Blockbusterkino fast monatlich mit einer neuen Superheldenverfilmung auf. Vorne mit dabei ist das Franchise Marvel Cinematic Universe, das schon seit 2008 die klassischen Figuren des Marvel Comic-Verlags der 1930er bis 70er Jahren zu reißerischem Popcornkino verfilmt. Die Reboots sind keine klassischen Remakes mehr, sondern dekontextualisieren und verdichten die klassischen Comic-Helden in ganz neue Plots und Zusammenhänge. Mit „X-Men: Dark Phoenix“ und „Spider-Man: Far from Home“ kommen in diesen Wochen gleich zwei neue Verfilmungen in die Kinos und erweitern den Superheldenkosmos um ein Weiteres. Nicht umsonst nennt sich das Franchise „Universe“. Es scheint charakteristisch für diese Zeit zu sein, dass Filmnarrationen immer ausufernder werden und gar nicht mehr geschlossen in nur einem Film erzählt werden müssen. Was David Lynchs krachend gescheiterter Science-Fiction-Epos „Dune“ schon mit einer Laufzeit von 3,5 Stunden in den 1980er Jahren vormachen wollte, ist im Film heute keine Seltenheit mehr. Auch das Star Wars-Franchise zeigt das mit seinen Nebenfilmen und seinen Sequel- und Prequel-Trilogien erfolgreich.
Aber ist es nun Wiederholung oder Mehrwert, wenn uns bekannte Geschichten in mehreren Filmen auf zum Teil unterschiedlichen zeitlichen Ebenen und Perspektiven erzählt werden? Vielleicht hat der Kinofilm der 2010er Jahre das Potential, Film mit seiner zeitlich linearen Narration aufzubrechen und den mit einer größeren epischen Tiefe vielschichtiger zu machen. Und vielleicht ist die Form auch eine Antwort auf den Trend der Serienwelten im gestreamten Heimkino, die mit ihren zahlreichen Episoden naturgemäß in der Lage sind, eine ganz andere erzählerische Tiefe aufzubauen.
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