Der Wonnemonat Mai ist nicht gerade bekannt für Kinozeit, doch das ist im Ruhrgebiet anders: Bereits seit 1954 finden hier die Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen statt. Das älteste Kurzfilmfestival Deutschlands bietet dem leider so wenig beachteten Genre eine international gesehene Bühne. Die Ausgabe zum 70-jährigen Jubiläum rückt zwischen dem 1. und 6. Mai den Sportfilm ab 1924 in den Fokus. Mit dabei sind unter dem Titel „Leibeserziehung“ obskure Funde aus Sportlehrfilmen zwischen den 1930er und 1950er Jahren,historische Sportfilme aus den Archiven der Kinemathek im Ruhrgebiet sowie ein Rückblick auf die Sportfilmtage Oberhausen, die tatsächlich bis 1977 in Oberhausen stattfanden. Wesentlich ernster geht es in der Sektion „Profile“ zu, die Werkschauen von namenhaften Künstler:innen präsentiert. Neben der finnischen Konzeptkünstlerin Mox Mäkelä wird hier auch der jüdisch-amerikanische Experimentalfilmer Abraham Ravett behandelt, der unter anderem für eine filmische Anthologie über seine Familiengeschichte bekannt geworden ist.
Herzstück ist in Oberhausen aber natürlich seit jeher der Wettbewerb aus internationalen, nationalen und nordrheinwestfälischen Produktionen aller Genre, die die vielen kriegerischen Auseinandersetzungen der Gegenwart durch den Spiegel des Zweiten Weltkriegs reflektieren. Wettbewerbe gibt es in Oberhausen auch zu Kinder- und Jugendfilmen sowie zum Genre Musikvideo, das in seiner kurzen Form schon immer besonders gerne mit neuen Bildwelten und Techniken experimentiert hat. So verwundert es nicht, dass von den zehn nominierten Videos bei dieser Ausgabe ganze fünf mit KI erstellt wurden. Ein Genre, das viel zu lange nur als Beiwerk zur Musik verstanden wurde anstatt als eigenständige Kunstform.
Insgesamt sind in den Wettbewerben 117 ausgewählte Ausflüge in andere filmische Welten mit Moderation durch die Kurator:innen zu erleben, bei denen die Filmemacher:innen oftmals selber für ein Filmgespräch anwesend sind. Doch das ist nicht alles. Zum Rahmenprogramm in Oberhausen zählen auch die unterhaltsamen „One Minutes“, also Kurzkurzfilme, die gerade durch ihre zeitliche Begrenztheit eine spielerische Freiheit entfalten und sofort Lust auf den nächsten Ausflug machen. Ganz neu dabei ist auch die Sektion „Übersehene Filme“, die es nie ins Programm geschafft haben, aber dann doch zu besonders sind, als sie nicht zu zeigen. Damit bieten die Kurzfilmtage Oberhausen auch in diesem Jahr ein reichhaltiges Programm und schaffen damit zugleich ein Forum für Diskurs und Austausch sowie zur Vernetzung für Kulturinteressierte, Kulturschaffende- und fördernde gleichermaßen, das unter anderem mit Live-Performances und Podiumsdiskussionen über die wichtige Kulturarbeit von Filmfestivals abgerundet wird.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Zwischen Helden- und Glückssuche
Die Kinotrends des Jahres – Vorspann 01/25
Besuchen Sie Europa
Die Studie Made in Europe und ihre Folgen – Vorspann 12/24
Filmfestivalmonat November
Mit der Duisburger Filmwoche, Doxs! und dem Blicke – Filmfestival des Ruhrgebiets – Vorspann 11/24
Reise in die Seele des Kinos
Die Ausstellung „Glückauf – Film ab“ in Essen – Vorspann 10/24
Programmkollaps
Vergraulen immer komplexere Kinoprogramme das Publikum? – Vorspann 09/24
Zurück zum Film
Open-Air-Kinos von Duisburg bis Dortmund – Vorspann 08/24
„Poor Things“, reiches Cannes
Eine Bilanz der ersten sechs Kinomonate – Vorspann 07/24
Ewige Stadt, ewiges Kino
In Rom werden aus alten verlassenen Kinos wieder Kinos – Vorspann 06/24
„Viel Spaß beim Film“
Vom Ende der Platzanweiser:innen – Vorspann 04/24
Was läuft im Kino?
Über die Programmierkunst echter und gespielter Helden – Vorspann 03/24
Prognose: Lachstürme
Die Komödie findet endlich ins Kino zurück – Vorspann 02/24
Emanzipation und Alltag
Starke Protagonistinnen im Januar – Vorspann 01/24
Schund und Vergnügen
„Guilty Christmas Pleasures: Weihnachtsfilme“ im Filmstudio Glückauf Essen – Foyer 12/24
„Das Ruhrgebietspublikum ist ehrlich und dankbar“
Oliver Flothkötter über „Glückauf – Film ab!“ und Kino im Ruhrgebiet – Interview 12/24
Hagener Bühne für den Filmnachwuchs
„Eat My Shorts“ in der Stadthalle Hagen – Foyer 11/24
Ruhrgebietsfilmgeschichte erleben
„Glückauf – Film ab!“ im Essener Ruhr Museum
Zermürbte Gesellschaft
choices preview zu „Critical Zone“ im Odeon – Foyer 11/24
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Liebe und Macht
choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24