Überall „Dune“, nirgends „Nawalny“. In der Woche nach dem „plötzlichen Tod“ des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny kamen leider nur wenige Kinos auf die Idee, den Oscar-prämierten Dokumentarfilm „Nawalny“ von 2022 noch einmal ins Programm zu nehmen. Das, obwohl Nawalnys Vermächtnissatz „Gebt nicht auf!“ genau aus diesem Werk stammt und von unzähligen Medien auf der ganzen Welt zitiert wurde.
Andererseits ist das Kino seine eigene Welt – und das ist und bleibt sein Erfolgsgeheimnis. Kinomacher schließen täglich auf – statt zu. Sie sperren Menschen nicht für immer ein und hinter Gitter, sondern geben ihnen für zwei Stunden einen Raum mit bequemen Sesseln, um an anderen Geschichten, Schicksalen und Ereignissen teil zu haben und dann im besten Fall mit einem Lächeln auf den Lippen oder anderswie gestärkt wieder hinaus auf die Straße zu treten.
Diese Qualität des Kinos unterstützt auch David Rohers „Nawalny“, den man gerade in den Filmkunstkinos noch einmal programmieren könnte, um dem „Last Man Standing“ Russlands ein Denkmal zu setzen, um dessen „Chronik eines angekündigten Todes“ gemeinsam mit anderen Menschen noch einmal nachvollziehen und auch ehren zu können – wo sonst wäre das möglich? Losgelöst von der Nervosität der alten und sozialen Medien bietet der Film Einblicke in Nawalnys Kampf und Denken, auch in seine Widersprüche.
In Jean-Luc Godards „Deutschland Neu(n) Null“ (1990), einem sehr nachdenklichen Berlin-Spaziergang, brachte ausgerechnet der alte Haudegen Lemmy Caution alias Eddie Constantine den Unterschied zwischen Politik und Privatleben, zwischen der Gewalt von oben und dem Wunsch nach Zärtlichkeit unten auf den Punkt: „Der Traum des Staates ist es, allein zu sein, während der Traum des Individuums der ist, zwei zu sein“.
Von daher sollten wir die Freiheit und die alternativen Sichtweisen, die das Kino bietet, genießen. In diesem Monat mit so unterschiedlichen Filmen wie „Die Herrlichkeit des Lebens“, „The Zone of Interest“, „Die Unschuld“, „Dune 2“, „Oh la la“, „Rückkehr nach Korsika“ und einigen anderen. Sie alle beschäftigen sich vitaler, hintergründiger und schöner mit dem Glück oder Unglück des Lebens als alle kurzatmigen Memes, Newsfeeds oder dahingerotzten Meinungen zusammen.
Gegen die Einfalt der Gewalt hilft nur das, was in unseren Magazinen als Gründungsspruch galt: Die unendliche Vielfalt.
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