Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
18 19 20 21 22 23 24
25 26 27 28 29 30 1

12.584 Beiträge zu
3.811 Filmen im Forum

Rüdiger Schmidt-Sodingen

Was läuft im Kino?

27. Februar 2024

Über die Programmierkunst echter und gespielter Helden – Vorspann 03/24

Überall „Dune“, nirgends „Nawalny“. In der Woche nach dem „plötzlichen Tod“ des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny kamen leider nur wenige Kinos auf die Idee, den Oscar-prämierten Dokumentarfilm „Nawalny“ von 2022 noch einmal ins Programm zu nehmen. Das, obwohl Nawalnys Vermächtnissatz „Gebt nicht auf!“ genau aus diesem Werk stammt und von unzähligen Medien auf der ganzen Welt zitiert wurde.

Andererseits ist das Kino seine eigene Welt – und das ist und bleibt sein Erfolgsgeheimnis. Kinomacher schließen täglich auf – statt zu. Sie sperren Menschen nicht für immer ein und hinter Gitter, sondern geben ihnen für zwei Stunden einen Raum mit bequemen Sesseln, um an anderen Geschichten, Schicksalen und Ereignissen teil zu haben und dann im besten Fall mit einem Lächeln auf den Lippen oder anderswie gestärkt wieder hinaus auf die Straße zu treten.

Diese Qualität des Kinos unterstützt auch David Rohers „Nawalny“, den man gerade in den Filmkunstkinos noch einmal programmieren könnte, um dem „Last Man Standing“ Russlands ein Denkmal zu setzen, um dessen „Chronik eines angekündigten Todes“ gemeinsam mit anderen Menschen noch einmal nachvollziehen und auch ehren zu können – wo sonst wäre das möglich? Losgelöst von der Nervosität der alten und sozialen Medien bietet der Film Einblicke in Nawalnys Kampf und Denken, auch in seine Widersprüche.

In Jean-Luc Godards „Deutschland Neu(n) Null“ (1990), einem sehr nachdenklichen Berlin-Spaziergang, brachte ausgerechnet der alte Haudegen Lemmy Caution alias Eddie Constantine den Unterschied zwischen Politik und Privatleben, zwischen der Gewalt von oben und dem Wunsch nach Zärtlichkeit unten auf den Punkt: „Der Traum des Staates ist es, allein zu sein, während der Traum des Individuums der ist, zwei zu sein“.

Von daher sollten wir die Freiheit und die alternativen Sichtweisen, die das Kino bietet, genießen. In diesem Monat mit so unterschiedlichen Filmen wie „Die Herrlichkeit des Lebens“, „The Zone of Interest“, „Die Unschuld“, „Dune 2“, „Oh la la“, „Rückkehr nach Korsika“ und einigen anderen. Sie alle beschäftigen sich vitaler, hintergründiger und schöner mit dem Glück oder Unglück des Lebens als alle kurzatmigen Memes, Newsfeeds oder dahingerotzten Meinungen zusammen.

Gegen die Einfalt der Gewalt hilft nur das, was in unseren Magazinen als Gründungsspruch galt: Die unendliche Vielfalt.

Rüdiger Schmidt-Sodingen

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Konklave

Lesen Sie dazu auch:

Filmfestivalmonat November
Mit der Duisburger Filmwoche, Doxs! und dem Blicke – Filmfestival des Ruhrgebiets – Vorspann 11/24

Reise in die Seele des Kinos
Die Ausstellung „Glückauf – Film ab“ in Essen – Vorspann 10/24

Programmkollaps
Vergraulen immer komplexere Kinoprogramme das Publikum? – Vorspann 09/24

Zurück zum Film
Open-Air-Kinos von Duisburg bis Dortmund – Vorspann 08/24

„Poor Things“, reiches Cannes
Eine Bilanz der ersten sechs Kinomonate – Vorspann 07/24

Ewige Stadt, ewiges Kino
In Rom werden aus alten verlassenen Kinos wieder Kinos – Vorspann 06/24

Der Kurzfilm im Rampenlicht
Die Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen 2024 – Vorspann 05/24

„Viel Spaß beim Film“
Vom Ende der Platzanweiser:innen – Vorspann 04/24

Prognose: Lachstürme
Die Komödie findet endlich ins Kino zurück – Vorspann 02/24

Emanzipation und Alltag
Starke Protagonistinnen im Januar – Vorspann 01/24

Was vom Kinojahr übrig bleibt
Rückblick 2023 – Vorspann 12/23

Lost Place – Found
Vor 10 Jahren feierte das Hamburger Rialto ein zweites Leben – Vorspann 11/23

Film.

Hier erscheint die Aufforderung!