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Ist Frauenfußball die Abweichung von der Norm. Und wer macht die Norm?
Foto: Stefan Lindauer

Karrierefrau statt Kampflesbe

30. Juni 2011

Frauenfußball als Objekt gesellschaftswissenschaftlicher Forschung - Thema 07/11 Frauenfußball

„20Elf von seiner schönsten Seite", so lautet der Slogan der FIFA Frauen-WM 2011. Die schöne Seite – sie ist seit eh und je weiblich. „Fußball und Männlichkeit gehören so selbstverständlich zusammen, dass Frauenfußball nur als Abweichung erscheint", erläutert die Ethnologin Almut Sülzle. „Man spricht ja schließlich auch nicht vom Frauentennis." Ein kleiner Unterschied mit großen Folgen – auch der Frauenfußball ist eine Männerdomäne. Zwar hat der DFB seit 2005 mit Silvia Neid eine Frau auf der Trainerbank, aber das ist eine Ausnahme. Bei über zwei Drittel der WM-Teilnehmerinnen ist der Trainer männlich. Und während die Männer 2006 in den Fußballtempeln auf Schalke oder in Dortmund spielen durften, sind die Frauen in die Augsburger oder Gladbacher Provinz verbannt. „Dass bei der Frauen-WM in kleineren Stadien gespielt wird, finde ich nicht so schlimm“, meint Yvonne Weigelt-Schlesinger von der Uni Bern. „Wenn die Schalke-Arena nur halbvoll ist, wäre das keine gute Werbung für den Frauenfußball."

Wobei das mangelnde Interesse eigentlich nicht so recht erklärbar ist. Nicht nur ist die deutsche Frauennationalmannschaft erfolgreicher als die Männer, dem Frauenfußball werden all die Tugenden zugesprochen, die im Männerfußball nostalgisch vermisst werden. „Viele Fans erwarten von den Frauen ein taktisch und technisch besseres Spiel, das weniger offen aggressiv ist", berichtet Almut Sülzle, die über Fußball-Fans forscht. „Hier werden geschlechtsspezifische Vorurteile aus dem Alltag auf den Fußball projiziert." Diese traditionellen Vorurteile stehen im Einklang mit neuen Rollenmodellen für die Spielerinnen, weg vom Klischee der 'Kampflesbe' hin zu einer Vielfalt, die Spielerinnen mit hochhackigen Schuhen wie Lira Bajmarai und erfolgreiche Karrierefrauen wie zum Beispiel Steffi Jones zulässt. An der Basis bleiben die Vorurteile aber bestehen. Zwar ist Fußball der beliebteste Sport bei jungen Frauen, aber auf die aktive Zeit als Spielerin folgt weitaus seltener als bei Männern der Schritt an den Spielfeldrand. „Frauen müssen sich als Trainerin besonders beweisen", berichtet Yvonne Weigelt-Schlesinger aus ihrer Forschung. „Sie müssen die guten Eigenschaften des Mannes und die Ruhe einer Frau besitzen." Das führe dazu, dass ihnen gerade die fußballspezifischen Fähigkeiten abgesprochen werden.

Der schwarz-rot-goldene Bikini ist fester Bestandteil der Bildsprache geworden

Fans sind von der Zuschreibung von Geschlechterrollen nicht ausgenommen. Tauchen sie bei Fußballübertragungen in der Werbung auf, wird es typisch: Männer grillen, Frauen werben für Haushaltswaren. Bis zu 50 Prozent weibliche Zuschauer haben die Spiele in den Finalrunden, was Auswirkungen auf die nationale Befindlichkeit hat. Für letztere gelten Nationalmannschaften seit der WM 2006 als Seismograph. Der Nationalismus hat sich verweiblicht. Frauen mit geschminkten Nationalfahnen oder im schwarz-rot-goldenen Bikini sind ein fester Bestandteil der Bildsprache geworden. Und auch die passende Meistererzählung fehlt bei der Frauen-WM nicht. „Die WM soll signalisieren, dass Frauen auf allen Feldern endlich gleichberechtigt sind", meint Almut Sülzle und fügt hinzu: "Damit können dann weitere Forderungen abgewehrt werden."

CHRISTIAN WERTHSCHULTE

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