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Mobile Beete trotzen auch wenig fruchtbaren Schotterböden
Foto: Amélie Kai

„Kein kurzzeitiger Trend“

30. Juli 2013

Martin Sondermann über die Vorzüge des Urban Gardening – Thema 08/13 Urban Gardening

trailer: Herr Sondermann, ist Urban Gardening nur eine Modeerscheinung?
Martin Sondermann:
Nein, die Kleingartenbewegung gibt es schon seit dem 19. Jahrhundert. In Kriegszeiten legte man Notgärten an, auch an ganz zentralen Orten, zum Beispiel vor dem Reichstag in Berlin. In den großen Parkanlagen in den Städten baute man Kartoffeln an. Das neue Urban Gardening ist vom amerikanischen Kontinent hierüber geschwappt. Ich würde also eher von einem langfristigen gesellschaftlichen Phänomen reden als von einem kurzzeitigen Trend.

Aber die Kriegszeiten sind vorbei. Bei uns herrscht doch keine Hungersnot?

Martin Sondermann
Foto: privat
Martin Sondermann (29) ist Diplom-Geograf und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Umweltplanung der Leibniz Universität Hannover und freier Mitarbeiter am ILS – Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung in Dortmund.

Viele natürliche Ressourcen sind endlich, zum Beispiel das Erdöl. Vor diesem Hintergrund gibt es eine Bewegung, die sich von der Landwirtschaft ein Stück weit unabhängig machen möchte und selbst Lebensmittel produzieren will. Man will aber auch bezüglich der Einstellung zu Lebensmitteln die Menschen sensibilisieren. Wo kommen unsere Lebensmittel her? Gurken müssen wachsen und liegen nicht einfach von alleine im Supermarktregal.

Weshalb betreiben Menschen sonst noch Urban Gardening?
Für viele ist es eine reizvolle Freizeitgestaltung. Gärtnern macht einfach Spaß. Für andere ist die soziale Komponente wichtig. Bei einigen Projekten geht es um interkulturellen Austausch. Es ist spannend, wenn Menschen aus verschiedenen Herkunftsländern zusammen einen Garten bewirtschaften. Und eben die politische Komponente: Manche Gärtner wollen der Konsumgesellschaft etwas entgegensetzen.

Der urbane Gärtner ist ein Linker?
Ich würde das Urban Gardening eher als eine soziale Bewegung bezeichnen. Man arbeitet gemeinsam friedlich an einer schöneren, grüneren Stadt.

Müssen sich die Städte nicht sowieso wegen des Klimawandels verändern?
Wegen des Klimawandels ist Urban Gardening in doppelter Hinsicht wichtig. Der Hitzestress muss reduziert werden. An heißen Sommertagen heizt sich die Stadt besonders auf, sodass gerade ältere und kranke Menschen gesundheitliche Schäden erleiden können. Hier sind gut belüftete und begrünte Flächen wichtig. Aber auch andere extreme Wetterereignisse wie Starkregen werden häufiger vorkommen. Schnell ist in solchen Fällen das Abwassersystem überlastet. Wenn weniger innerstädtische Flächen versiegelt sind, kann das Wasser leichter versickern.

Wie geht es dem Ruhrgebiet mit dem Urban Gardening?
Gerade in Dortmund sind Gruppen sehr aktiv. Auch andere Städte im Revier sind dem Urban Gardening gegenüber sehr aufgeschlossen. Wir haben durch die Brachflächen, die in den letzten Jahrzehnten entstanden sind, sehr viel Platz. Es sind viele Menschen weggezogen. Wir brauchen diese Flächen also auch nicht mehr für den Wohnungsbau. Insgesamt gibt es sehr viele Grünflächen in der Region. Allerdings kommt es nicht nur auf die Quantität an. Wenn wir Grünflächen haben wollen, die von Alt und Jung genutzt werden können, bedarf es Investitionen. Zugewucherte Flächen sind zwar ökologisch sinnvoll, breite Bevölkerungsschichten können sie jedoch nicht für die Freizeit und Erholung nutzen. Diese Investitionen können unsere hochverschuldeten Kommunen oft nicht leisten.

Sehen Sie die Entwicklung also eher pessimistisch?
Nein, es sind schon viele Parks entstanden, wie der Landschaftspark Duisburg-Nord, der Nordsternpark in Gelsenkirchen und der Zollverein-Park. Diese werden von der Bevölkerung sehr geschätzt. Zusätzlich könnte man auch Brachflächen in Wohngebieten für Urban Gardening nutzen.

Gleich neben der öffentlichen Grünfläche züchtet Herr Müller dann also seine Möhren?
Das geht nebeneinander, aber auch miteinander. In Rheinland-Pfalz gibt es das Projekt „Essbare Stadt Andernach“. Dort wird das Gemüse direkt in städtischen Parks angebaut.

Sind unsere Kommunen ähnlich aufgeschlossen gegenüber Urban Gardening?
Das erlebe ich schon. Viele Kommunen haben erkannt, dass man mit den Bürgern gut zusammenarbeiten kann und nicht alles allein in der Hand der Stadtverwaltung liegen muss.

Wie wird die Zukunft aussehen? Werden wir den schönen Beton überhaupt noch sehen können.
Die Stadtentwicklung strebt an, dass sich die Innenstädte verdichten. Da wird es nicht so viele Gärten geben können. Wenn Sie also ein Freund des Betons sind, brauchen Sie sich keine Sorgen machen. Aber auch hier gibt es Möglichkeiten, Beton und Grün gut zu kombinieren. Duisburg hat zum Beispiel seinen Innenhafen und den König-Heinrich-Platz mit Grünflächen aufgewertet.

Interview: Lutz Debus

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