„Was kann für einen jungen Mann uncooler sein, als in einem Männerchor zu singen?“ Diese Frage stellte Bernhard Steiner provokant, als der Kölner Männergesangverein jetzt verkünden konnte, knapp vierzig neue Stimmen für den eigenen Chor geworben zu haben. Also doch cool, so ein Männerchor?
Ganz ohne Nachwuchssorgen lebte der Thomanerchor in Leipzig, ein Männergesangverein en miniature, auch nicht in den letzten Jahrzehnten. Allerdings entscheiden ja hier letztlich Erwachsene, ob es wohl „dufte“ ist, den Filius in einem Alumnat – im Falle der Thomasschule einem Spezialinternat für Musikbegabte – seine gesamte Jugend verbringen zu lassen, um der Musik im weiteren und Bachs Musik im engeren Sinne ein lebendiges Denkmal zu setzen.
Aber in beiden Fällen ist es wichtig, dass es sich nicht um die Musik alleine dreht. Bei den Herren in Köln spielt auch der gesellig-gesellschaftliche Aspekt eine erste Geige. Noch viel mehr bezieht sich die musikalische Schulung in Leipzig auf eine vorbereitende Ausbildung für das Leben – keiner der Kleinen weiß nämlich, wie es nach dem Stimmbruch weitergehen wird. Die kleinen und großen Thomaner gastieren jetzt mit ihrem Allerheiligsten für die Festtage im Dezember im Konzerthaus in Dortmund: Neben Kerzen erstrahlen helle Knabenstimmen in Johann Sebastian Bachs „Weihnachtsoratorium“.
Hier reist sozusagen das Original an, mit dem Thomaskantor Georg Christoph Biller an der Spitze, dessen Vorgänger Bach einst so wichtige Spuren in der Geschichte der Musikstadt Leipzig hinterlassen hat. Biller lebt heute diesen verantwortungsvollen und zeitintensiven Job mit ganzer Kraft: Der Thomaskantor steht in allen öffentlichen Themen wie in privaten Fragen seiner Zöglinge stets in der Diskussion. Im musikalischen Amt geht es nicht nur um Musik.
So übernehmen schon die Kleinen Aufgaben für die Gemeinschaft, sie wachsen mit den Jahren an. Die Schule mit ihren professionellen Anforderungen an die Kinder formt individuelle Charaktere, solistische Einsätze fördern ein starkes Selbstbewusstsein, das alles erinnert an eine erlebnisreiche Reisen-betonende Jugendfreizeit, allerdings ohne Rückkehr in den Schoß der geliebten Familie.
Konzerte mit den Thomanern bescheren stets nachhaltige Eindrücke von den Fähigkeiten dieser oft noch sehr kleinen Künstler, die extreme Disziplin und Konzentration aufbringen müssen. Wer diese sanft geführte „harte Schule“ absolviert hat, für den sind Dinge wie Kollegialität, Verantwortung und die einst deutsche Tugend Pünktlichkeit einfach obligatorisch – Letzteres gilt für den gesamten Musikerstand. Das klingt allerdings gar nicht „cool“, und eigentlich könnte so ein netter, aufrichtiger Kerl für das moderne Haifischbecken „Arbeitsmarkt“ als völlig fehlorientiert gelten – wenn wir nicht an das Gute glauben würden, gerade in der heiligen Zeit. Nicht nur die Mütter und die Omas bekommen feuchte Augen beim Anblick solcher Wunderknaben – auch die Ohren werden mit einzigartigem Wohlklang beschenkt.
Konzert im Dezember: 15.12. I Konzerthaus Dortmund I www.konzerthaus-dortmund.de
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