Das Aussetzen der Wehrpflicht hat der Bundeswehr Nachwuchssorgen beschert: Stammten bis zum Beginn der Neuausrichtung 2011 rund 40% der Zeit- und Berufssoldaten aus dem Pool der Wehrdienstleistenden, so müssen seitdem alle Rekruten auf dem freien Markt gewonnen werden. Und das sind nicht wenige. Um die in der Reform festgelegte Stärke von 185.000 Soldaten zu sichern, müssen der Truppe etwa 15.000 Personen pro Jahr beitreten. Und da nicht jeder für die Arbeit als Soldat geeignet ist, liegt die Zahl der zu gewinnenden Interessenten noch einmal um etwa das Dreifache höher.
Es ist also verständlich, dass die Bundeswehr verstärkt in die Eigenwerbung investiert: Laut deutschlandfunk.de 29 Millionen Euro im letzten Jahr. Mit diesem Geld wirbt sie im Internet, auf Berufsmessen – und auch in Schulen. Zwischen der Bundeswehr und neun Bundesländern, darunter NRW, existieren Kooperationsvereinbarungen. Sie gewähren knapp 100 sogenannten Jugendoffizieren Zugang zu Klassenzimmern, damit sie den Schüler vor Ort „zusätzliche Informationen über friedens- und sicherheitspolitische Fragestellungen eröffnen“, wie es in der Vereinbarung zwischen dem NRW-Schulministerium und dem Wehrbereichskommando II der Bundeswehr heißt.
Das Papier legt aber ausdrücklich fest, dass die Jugendoffiziere „nicht für Tätigkeiten innerhalb der Bundeswehr werben dürfen“. Um die Anwerbung kümmern sich offiziell die „Karriereberater“. Und auch sie gehen dafür an Schulen. Aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 25. März 2014 geht hervor, dass die Karriereberater im letzten Jahr insgesamt 8.700 Vorträge an Schulen hielten, mit denen sie 189.000 Schüler erreichten. Dazu kamen insgesamt 122.400 Schüler auf Ausstellungen, Jobmessen, Projekttagen, bei Truppenbesuchen und ähnlichen Anlässen mit der Armee in Kontakt.
Gegen die massierte Präsenz der Bundeswehr an Schulen regt sich Kritik. So haben sich in NRW die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsgegnerInnen (DFG-VK), die Jugend des DGB, die Linksjugend, die Landesschülervertretung, engagierte Lehrer und weitere Organisationen zu dem Bündnis „Schule ohne Bundeswehr NRW“ zusammengeschlossen. Der NRW-Landesgeschäftsführer der DFG-VK, Joachim Schramm, kritisiert am Schulbesuch der Bundeswehr vor allem das herrschende Ungleichgewicht: Den Lehrern und ein paar ehrenamtlichen Vertretern der Friedensbewegung stünden die hauptberuflichen Jugendoffiziere gegenüber, die durch ihre rhetorische Ausbildung implizit ein einseitig positives Bild der Bundeswehr zeichnen und auf Gegenstimmen wirkungsvoll reagieren könnten. Darüber hinaus nähmen sie emotional Einfluss auf die Schüler, etwa wenn sie Soldaten aus Afghanistan zuschalteten. Ein weiterer Kritikpunkt: Die Jugendoffiziere seien gut mit den Karriereberatern vernetzt. Zeige ein Schüler grundsätzliches Interesse an der Bundeswehr, würde der Kontakt hergestellt werden.
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