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Islamexperten Lamya Kaddor, Guido Steinberg und Behnam Said (v.li.)
Foto: Ines Maria Eckermann

Wenn aus Schülern Terroristen werden

27. November 2014

Islamwissenschaftler diskutierten im Café Central über die Faszination des Dschihad für junge Menschen

Viele Menschen kamen in das Café Central im Grillo Theater in Essen, manche mussten sich sogar mit einem Stehplatz an der Bar begnügen. Sie suchten Antworten auf eine der brisantesten Fragen unserer Zeit: Wie wird ein junger Mensch zu einem Terroristen? Das Kulturwissenschaftliche Institut Essen (KWI), Deutschlandradio Kultur, die Buchhandlung Proust und das Schauspiel Essen brachten drei Isalmwissenschaftler zusammen, um das brisante Thema zu diskutieren: „Der Dschihadist von nebenan – warum die Terrormiliz IS junge Migranten anzieht“.

Sicher weiß der Verfassungsschutz von 550 jungen Deutschen, die nach Syrien gereist sind, um den IS zu unterstützen. Eine Dunkelziffer ist kaum abzuschätzen. „Die Szene hat sich enorm verbreitert“, erklärte Nahostexperte und Terrorismusforscher Guido Steinberg. Früher seien nur Araber in den Kampf gezogen, heute sind es Russlanddeutsche, türkischstämmige Jugendliche, deutsche Konvertiten. „Viele kommen aus den Problemvierteln der deutschen Großstädte“, sagte Steinberg. Die meisten von ihnen sind hier geboren und aufgewachsen.

Lamya Kaddor kennt einige der jungen Menschen, die freiwillig in den Krieg zogen. Kaddor ist erste Vorsitzende des Liberal-islamischen Bundes e.V. – und sah als Lehrerin in Dinslaken mit an, wie eine Handvoll ehemaliger Schüler sich radikalisierte und nach Syrien reiste. „Die Leute, die da mitmachen, sind sehr unterschiedlich, vom Studenten bis zum Hauptschüler“, erklärte Kaddor „Aber sie haben eines gemeinsam: ein emotionales Defizit.“ Und das besteht im andauernden Gefühl der Fremdheit: In der Heimat ihrer Eltern gelten sie als Exilanten, in Deutschland werden sie nicht als Deutsche anerkannt. „Diese Erfahrung von Ausgrenzung ist in der Pubertät ganz schwierig“, sagt Kaddor.

Seit den Anschlägen vom 11. September hätten viele der Jugendlichen immer wieder mit Vorurteilen und Ablehnungen gegen den Islam zu kämpfen haben. „Diese labile Phase nutzen die Menschenfänger, um diese Haltlosigkeit mit Sinn zu füllen, mit einfachen Antworten und einem klaren Freund-Feind-Schema“, erklärte Kaddor. Die Salafisten seien meist die ersten Menschen, bei denen die Jugendlichen mit ihrer Religionszugehörigkeit punkten können. Die Anwerber setzten dabei jedoch nicht bei den Frommen an – in der Regel fielen die Rekruten eher mit ihrem Vorstrafenregister als mit Koranwissen auf.

„Die Jugendlichen, die aus Deutschland kommen, sind nicht die, die den Krieg führen und auch nicht die, die den Krieg entscheiden“, sagte Steinberg. Den Jugendlichen fehlt die militärische Ausbildung und so helfen sie bei den alltäglichen Dingen wie beim Kochen – oder werden für Selbstmordanschläge eingesetzt. Doch meist kommt es gar nicht so weit. Viele sind von der neuen, feindlichen Umgebung geschockt und fühlen sich fremd, weil sie kein Arabisch verstehen. So war es auch bei den meisten von Kaddors Schülern: „Die waren ziemlich desillusioniert. Nach einer Woche heulten sie am Telefon rum, dass sie zurück wollen. Die sind sich mittlerweile sicher, dass es ein Fehler war.“ Doch nach der Rückkehr hören die Probleme nicht auf, weiß der Islamwissenschaftler am Landesamt für Verfassungsschutz und Autor von Büchern über den Salafismus, Behnam Said. Er vermutet, dass nach ein paar Jahren das in Syrien erlebte soweit verklärt wird, dass sie sich reradikalisieren. „Es ist die Frage, wie viel uns unsere Sicherheit wert ist“, sagt Said. „Es wird eine Menge kosten, sich um alle Rückkehrer adäquat zu kümmern.“

Ines Maria Eckermann

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