Bochum, 7. Oktober – Als die Weltwirtschaftskrise 2008 die Finanzmärkte mit voller Wucht traf, kristallisierte sich Agrarland als ein neues und extrem lukratives Investment heraus. Das endstation.kino in Bochum Langendreer zeigte im Rahmen der Reihe „Kino Global“ den Dokumentarfilm zum Thema: „Landraub – Die globale Jagd nach Ackerland“ von Kurt Langbein beleuchtet eindrücklich die systematische Entrechtung der Ärmsten zugunsten multinationaler Agrar-Investoren. Die weltweiten Menschenrechtsverletzungen und Umwelt-Zerstörungen werden in einigen Fällen auch noch von EU, Weltbank und anderen internationalen Organisationen durch „Entwicklungshilfe“-Gelder angefeuert. Als Expertin in der gut besuchten Veranstaltung beantwortete die Aktivistin Gertrud Falk die Fragen in der angeregten Diskussion nach dem Film. Sie engagiert sich bei der Menschenrechtsorganisation FIAN (Food First Informations- und Aktions-Netzwerk), die dem strukturell verursachten Hunger auf der Welt beizukommen sucht.
Die Zahlen, die Gertrud Falk nennt, sind verstörend: Eine Milliarde Menschen hungern auf der Welt; 90% deshalb, weil ihnen der Zugang zu Ressourcen und Ackerland verwehrt wird. FIAN ist Teil eines gut organisierten Netzwerks, das sich in konkreten Fällen für Menschen stark macht, die von Landraub betroffen sind. Eine Grundvoraussetzung dafür sei laut Falk, dass die Leute auch selbst bemüht sind, sich für ihr Recht einzusetzen. Zum Beispiel in Kambodscha, einem traurigen Hotspot des Landraubs: Der Film begleitet einen Mönch, der mit einer kleinen Kamera die Vertreibung von Hunderten Familien dokumentiert. In seinen Aufnahmen sehen wir verzweifelte Menschen, die zuschauen müssen, wie ihre Hütten mit Bulldozern dem Erdboden gleich gemacht werden. Die Regierung vergab die Land-Konzession für eine gigantische Zuckerrohr-Plantage an Senator Ly Yong Phat, und so wurden die einstigen Selbstversorger über Nacht zu Tagelöhnern, die sich für 2,50 $ am Tag abrackern. Aus den Urwäldern und den Mischkulturen der Kleinbauern entstand eine Monokultur-Fabrik, deren Zucker zollfrei in die EU exportiert wird.
Das große Verdienst des Films „Landraub“ ist, dass er alle Beteiligten zu Wort kommen lässt: Die entrechteten Bauern und Aktivisten genauso wie die Agrar-Investoren und Plantagen-Manager, die überaus effektiv ihre Betriebe führen und ihre Geschäftsmodelle erläutern. Der EU-Parlamentarier Martin Häusling erklärt, wie etwa das EU-Förder-Programm „Everything But Arms“ den Großkonzernen das Geld in die Taschen spült und die Politik zuschaut, wenn die Kleinbauern entrechtet werden. Gertrud Falk ist skeptisch, ob wir diesen Praktiken als Verbraucher allein durch besseres Bewusstsein beim Einkauf entgegen wirken können. Nirgendwo gäbe es mehr Lobbyisten als in Brüssel, stellt sie pointiert fest. Das Problem sei von der Politik gemacht und ist deswegen auch nur durch die Politik zu lösen. Dass die Kolonisation 2.0, die gerade volle Fahrt aufgenommen hat, auch in unserem eigenen Interesse gestoppt werden muss, daran lässt der hervorragend recherchierte Dokumentarfilm keinen Zweifel. Die wahren Kosten der schnellen, privaten Profite in Form von Hungersnöten, vergiftetem Wasser, verseuchten Böden, Flüchtlingen und Klimawandel werden wir alle gemeinsam tragen. Die kambodschanischen Familien konnten nach jahrelangem Kampf wieder zurückkehren auf ihren Acker. So entlässt uns der Film zumindest mit einem Hoffnungsschimmer, auch wenn klar wird, dass dem subventionierten Agro-Business dieser Couleur ein Riegel vorgeschoben werden muss.
Die bundesweite Film-Reihe „Kino Global“ läuft noch bis Dezember alle 14 Tage im endstation.kino. Diskutiert werden Filme zu Globalisierung, Migration und Menschenrechten.
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